Modellprojekt

Download.jpeg

Ziel und Zeitschiene des Projektes

In einem ausgewählten Kleinquartier von ca.1.500 Bewohner:innen haben wir die Rahmenbedingungen für ein gesteuertes und angeleitetes Nachbarschaftsnetzwerk mit den Bewohner:innen vor Ort diskutiert.

Pflege definieren wir dabei als Fürsorge bzw. Alltagsbegleitung, hauswirtschaftliche Unterstützung und Pflege(hilfs)leistungen. Medizinische Behandlungspflege ist explizit ausgenommen. 

Für das Modellprojekt haben wir das Quartier im Rosengarten der Bau- und Wohnungsgenossenschaft Halle-Merseburg e.G. ausgesucht, weil es mit 1.000 Wohneinheiten und der Struktur sowie einer Begegnungsstätte gute Voraussetzungen bietet, um mit Hilfe der Genossenschaftsverwaltung im Wohnquartier Sorge und Pflege zu organisieren.

Die monatlichen Diskussionen starteten nach der Sommerpause 2019 und liefen über einen Zeitraum von 15 Monaten. Jede einzelne Diskussionsrunde wurde über Dossiers, Kommentare und Expert:innenbeiträge vorab wie im Anschluss aufbereitet, so dass einzelne Veranstaltungen zu einem mehrspurigen Prozess wurden.

Unsere Expert:innen kamen aus ganz unterschiedlichen Fachgebieten: Bereichsleiterin einer Krankenkasse, ein Architekt, ein Geschäftsführer eines Pflegedienstes, Leiterin eines Pflegenetzwerkes, Wissenschaftler:innen der Pflegewissenschaften sowie eine langjährige Genossenschaftsberaterin. 

Nicht nur Anwesende, sondern alle Bewohner:innen im Quartier konnten in den Modellentwurf einbezogen werden. Durch den anhaltenden Dialog konnte konkretes Feedback oder ein nachträglicher Vorschlag über einen längeren Zeitraum diskutiert und geklärt werden, um dann in die Entwicklung des Pflegemodells einzufließen. Die Öffentlichkeitsarbeit realisierten wir über Hausbesuche, monatliche Flyer, Emails und soziale Medien sowie Video- und Podcast-Aufnahmen. 

Bis Ende Mai 2020 wurde das Modell mit der Genossenschaftsverwaltung und den Mitgliedern abgestimmt. Entstanden sind stabile Rahmenbedingungen für Nachbarn:innen und Pflegebedürftige, die auf den Bedürfnissen vor Ort aufsetzen und eine pflegerische Grundversorgung in Haushalt, Fürsorge und Pflege sicherstellen können.

Unsere Partnerin - Genossenschaft Halle-Merseburg e.G.

Die Bau- und Wohnungsgenossenschaft Halle-Merseburg e.G. verfügt über insgesamt 5.000 Wohneinheiten in Halle und Merseburg.

Im Quartier Rosengarten, in welchem wir das Projekt ansiedeln, leben circa 1.500 Menschen. Direkt vor Ort stehen gemeinsam genutzte Räumlichkeiten zur Verfügung, um die Diskussionsrunden abzuhalten.

Für die gesamte Genossenschaft betreuen zwei Sozialmanager:innen über 1.000 Veranstaltungen im Jahr in den Bereichen Sport, Musik und Kultur für die gesamte Genossenschaft.

Ab Sommer 2019 wird sich eine hauptamtliche Person um die Pflegestrukturen und betreutes Wohnen kümmern sowie im ersten Schritt unser Projekt aktiv begleitet.

Das Durchschnittsalter aller Genossenschaftsmitglieder liegt bei 65 Jahren, bei den aktuell 400 Neueintritten in die Genossenschaft pro Jahr liegt es bei 41 Jahren.

Zudem ist die Genossenschaft seniorenzertifiziert und betreibt einen Erlebnispark für junge Leute, der insgesamt von 60.000 Besuchern pro Jahr angenommen wird.

Diskussionsrunden

Unsere Diskussionsveranstaltungen waren der Kern des Projektes. Wir diskutierten mit den Bewohner:innen des Quartiers wie Ihre Nachbarschaftshilfe aussehen soll bzw. wie wir die Nachbarschaft über stabile Rahmenbedingungen so mobilisieren können, dass aus punktueller Selbsthilfe eine Grundversorgung wird.

Wir dokumentierten die Veranstaltungen in Bild, Podcast und Video. Über begleitende Artikel kontrastierten wir die Ergebnisse zum bestehenden Pflegesystem in Deutschland.

Die Entstehung der QuartierPflege kann im Folgenden daher in Ton, Bild und Schrift nachvollzogen werden.


Videos und Podcasts

 

Modellrahmen

Das Modell der QuartierPflege konnte im Rahmen des Projektes erarbeitet und komplettiert werden. Entstanden sind stabile und gute Rahmenbedingungen für Nachbarn:innen und Pflegebedürftige, die auf den Bedürfnissen vor Ort aufsetzen und eine Grundversorgung in Haushalt, Fürsorge und Pflege sicherstellen. Medizinische Behandlungspflege ist explizit ausgenommen. Die Rahmenbedingungen erläutern wir im Folgenden.

  • Quartierbezug mit 1.500 Bewohner:innen

  • Fall-Management für 75 bis 100 Pflegebedürftige

  • Tätigkeitsbezogenes modulares Schulungskonzept

  • Fürsorge, Hauswirtschaft und Grundpflege als Leistungsspektrum

  • Engagement in Ehrenamt, Teilzeit und Vollzeit

  • Passgenaue Angebote für alle Generationen 

  • Kleinräumliche bauliche Anpassungen

  • Strategische Kooperationen im Quartier

  • Finanzierung aus Mitteln der Pflegeversicherung 

  • Digitalisierung als Koordinationswerkzeug

Sozialraum und Zielgruppen

Wir haben zwei Hauptzielgruppen: Nachbar:innen und Menschen mit Unterstützungsbedarf (ältere Menschen mit oder ohne Demenz, Menschen mit physischen oder psychischen Beeinträchtigungen). Diese müssen so miteinander verzahnt werden, dass die zu Unterstützenden Vertrauen in die Verlässlichkeit sowie Qualität der Dienstleistungen aufbauen können.  Und umgekehrt muss in der Nachbarschaft die Bereitschaft zu helfen durch Rahmenbedingungen so gesteigert werden, dass ein substantieller Anteil der Nachbar:innen sich engagiert.

Eine dritte wichtige Zielgruppe sind Angehörige. Wir betrachten Angehörige im weiteren als Nachbar:innen; wohlwissend, dass eine andere Verantwortlichkeit und Sensibilität in der Ansprache und Begleitung durch die hauptamtlichen Personen QuartierPflege verlangt ist. Dabei ist es unerheblich, ob Angehörige im Haushalt wohnen, in der Nachbarschaft oder fernab: Unser Ziel ist es, Angehörigen, wenn sie und die unterstützungsbedürftigen Menschen das wünschen, eine vorrangige Netzwerkstellung zuzuweisen.Nicht zuletzt auch deswegen, um das Fall-Management zu entlasten.

Nachbar:innen vor Ort

Nachbar:innen sind divers und keine homogene Gruppe. Zwei klare Abgrenzungen lassen sich treffen: 

  1. Nachbar:innen wohnen im ausgewählten Kleinquartier. 

  2. Sie haben ein Alter zwischen 14 und 80 Jahren. 

Idealerweise wohnen die Nachbar:innen in der gleichen Kleinkommune, einer Wohnungsgenossenschaft oder einer kommunalen oder privaten Wohnungsbaugesellschaft. Weil die Zielgruppe nicht homogen ist, benötigen wir diesen allen vertrauten Wohnungsträger, also einen etablierten Kommunikationskanal über den die Ansprache erfolgt. 

Weil wir um die Schwierigkeiten wissen, Nachbarschaft zu mobilisieren, konzentrieren wir uns auf kleinteilige Sozialräume, wo Betroffene, Angehörige und Nachbarschaft sich untereinander bereits kennen und begegnen. Wir arbeiten mit Bedacht mit den lokalen Wohnungsgesellschaften oder Kommunen zusammen, um den Vertrauensvorschuss für die Bereitschaft zur Fürsorge, Alltagsbegleitung und Pflege von Menschen mit Unterstützungsbedarf nutzen zu können. Der Vertrauensvorschuss ist dort besonders hoch, wo bereits Formen von Sozial- und Quartiermanagement existieren, die die Wohnungsgesellschaft selbst verantwortet oder ein Nachbarschaftsverein diese betreibt.

Wir haben das Mindestalter auf 14 Jahre festgesetzt, weil wir ab diesem Alter eine begrenzte Verantwortungsfähigkeit annehmen, die für einfache Tätigkeiten im Rahmen der Nachbarschaftshilfe (Einkaufen, Vorlesen) genutzt werden kann. Ab einem Alter von 80 Jahren ist die Integration von Nachbar:innen im Hinblick auf ihre eigene Rüstigkeit und die zu erwartende geringe Einsatzdauer in der QuartierPflege eine Hürde, so dass wir hier eine weiche Grenze setzen möchten. 

Quartierbezug 1.500 Bewohner:innen

Statistisch gesehen sind 5 bis 10 Prozent der Menschen in einem Quartier von 1.500 Personen pflegebedürftig, also 75 bis 150 Personen pro Kleinquartier.

Menschen mit Unterstützungsbedarf

Die Zielgruppe Menschen mit Unterstützungsbedarf umfasst zwei Hauptsegmente. 

Renov_Denkmalsiedlung_100812_0140_10x15_300dpi.jpg
  1. Ältere Menschen mit körperlichen und/oder zunehmenden geistigen Einschränkungen 

  2. Menschen jeden Alters mit physischen oder psychischen Beeinträchtigungen

Beide Segmente teilen in Bezug auf Fürsorge, Alltagsbegleitung und Pflege ein Grundbedürfnis - ein verlässliches Netzwerk, auf  welches sie jederzeit zugreifen können. Diese Grundversorgung ist aufgrund des Fachkräftemangels in der Pflege zunehmend gefährdet und zwar in punkto regionaler Verfügbarkeit und Verlässlichkeit. 

Mit der QuartierPflege konzentrieren wir uns auf Tätigkeiten, die Nachbar:innen laut der gesetzlichen Grundlage der sozialen Pflegeversicherung leisten können und sollen: Das sind hauswirtschaftliche Tätigkeiten, Fürsorge und Begleitung sowie grundpflegerische Aufgaben - also keine Behandlungspflege. Letztere darf nur von  pflegerischen oder medizinischen Fachpersonal ausgeführt werden. 

Mit diesem Angebot decken wir nicht alle Bedürfnisse der Menschen mit Unterstützungsbedarf ab, sondern konzentrieren uns auf eine Grundversorgung, die die Nachbar:innen auch umsetzen können. 

Der Wunsch nach einer Grundversorgung ist allen Menschen mit Unterstützungsbedarf gemein, egal wie schwerwiegend die Beeinträchtigungen sind. Die  benötigten Hilfen und deren Intensität variieren. Diesen individuellen Bedarf stellen wir im Einzelfall fest und organisieren dafür ein Netzwerk aus Nachbar:innen. Bei Menschen mit komplexeren Unterstützungsbedarfen kommt eben eine professionelle Ambulanz hinzu. 

Der Zugang zur Zielgruppe erfolgt analog zum oberen Abschnitt der Zielgruppe Nachbarschaft, schließlich sind Menschen mit Unterstützungsbedarf Teil der Nachbarschaft. 


Fall-Management

Fall-Management für 75 bis 100 Pflegebedürftige

Menschen mit Unterstützungsbedarf müssen Alltagsbegleitung, hauswirtschaftliche Tätigkeiten und Grundpflege aus der Nachbarschaft annehmen wollen. Vertrauen und Qualität in die handelnden Personen sind dafür entscheidend. Einzelne Nachbar:innen können ohne interne Abstimmungen und Verzahnungen mit ambulanten Pflegediensten und Angehörigen den Unterstützungsbedarf nicht verlässlich decken. Daher koordiniert ein Fall-Management vor Ort die Bedarfe auf Einzelfallebene und sichert die Qualität der Leistungen durch die Nachbar:innen. 

    • Leistung: Insgesamt  sollen 75 bis 100 Unterstützungsbedürftige im Kleinquartier koordiniert werden.

    • Resultat:  Die Unterstützungsbedürftigen haben direkte lokale Fall-Manager:innen, die für eine effektive Begleitung, Koordinierung und damit eine bessere individuelle Pflege sorgen. 

    • Wirkung: Unterstützungsbedürftige können  nicht nur weit länger und unabhängiger in ihrem gewohnten Wohnumfeld bleiben, sondern nehmen durch die Einbindung in das Nachbarschaftsnetzwerk weitaus stärker sozial teil.  

Das Fall-Management organisiert für einen individuellen Bedarf, etwa einen wöchentlichen Einkauf Nachbar:innen. Im Nachbarschaftsnetzwerk wird ein(e) Nachbar:in identifiziert. Ein Vertrag nur über diese eine Tätigkeit wird aufgesetzt. Bei zunehmendem Bedarf des Unterstützungsbedürftigen treten im Zeitablauf ganz natürlich weitere Nachbar:innen hinzu. Ein Netzwerk entsteht, welches begleitet und supervisiert wird. Wir rechnen mit 5 bis 10 Nachbar:innen pro Pflegefall, um einen substantiellen Beitrag leisten zu können. 

Die Abrechnung erfolgt tätigkeits- bzw. stundenbezogen und wird im Quartier zentral verwaltet. So schaffen wir einerseits Transparenz in der Abrechnung von Tätigkeiten. Andererseits können wir Qualität über Begleitung und Schulung von Nachbar:innen sicherstellen. 

Fall-Management in einem Kleinquartier bedeutet schlussendlich die Leitung eines Netzwerkes von 450 bis 1.000 Personen. Je nach Ausprägung des Quartiers sowie Stand der Quartierentwicklung können das zwischen ein oder zwei hauptamtliche Stellen sein. 

Titel: Elke Härtig ©thebuzzard

Titel: Elke Härtig ©thebuzzard

Zeitlich gesehen werden direkt nach Einführung des Fall-Managements niedrige Fallzahlen typisch sein. Daher liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit im Vertrauensaufbau, der intensiven Begleitung der ersten Fälle und einer strategischen Netzwerk- Tätigkeit, die vorhandene Sozialstrukturen vor Ort einbindet. Im Zeitablauf verschiebt sich der Tätigkeitsschwerpunkt hin zu einer effizienten Ablaufsteuerung der individuellen Netzwerke rund um die Unterstützungsbedürftigen. Dazu gehört insbesondere auch die Aktivierung und Einbindung von Angehörigen und vertrauten Personen, um die Selbststeuerung der Gruppen zu erhöhen. 


Leistungsspektrum

Sorge, Hauswirtschaft und Grundpflege als Leistungsspektrum

Wir leiten das Leistungsspektrum direkt aus dem Gesetzestext der sozialen Pflegeversicherung ab. Dort ist Folgendes geregelt: 

§ 3 Vorrang der häuslichen Pflege - soziale Pflegeversicherung

Die Pflegeversicherung soll mit ihren Leistungen vorrangig die häusliche Pflege und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn unterstützen, damit die Pflegebedürftigen möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung bleiben können. Kann die Pflege nicht oder nur in geringem Umfang durch Privatpersonen erbracht werden, ist die Unterstützung durch einen Pflegedienst notwendig.

Angehörige und Nachbar:innen haben Vorrang. Sie sind also aufgerufen, alle Tätigkeiten zu übernehmen, die nicht durch andere gesetzliche Regelungen ausgeschlossen sind. Eine medizinisch gebotene oder verordnete Behandlungspflege sehen wir daher nicht als Teil des Leistungsspektrums. Alle anderen Aufgaben können prinzipiell von Angehörigen und Nachbar:innen übernommen werden. 

Wir orientieren uns an den Leistungskomplexen der Pflegekassen. Darin sind drei große Bereiche zu unterscheiden: 

  1. Haushalt, also Bügeln, Einkaufen oder Reinigen. 

  2. Fürsorge: etwa Spielen oder Spazierengehen etc. 

  3. Grundpflege: beispielsweise Hilfe beim Duschen, bei der Nahrungsaufnahme und der Körperpflege.

Typischerweise werden sich Nachbar:innen zunächst in den Bereichen Haushalt und Fürsorge engagieren und das zeitlich begrenzt und ohne Verbindlichkeit. Über die wachsende Vertrautheit mit den Strukturen der QuartierPflege sowie mit den zu unterstützenden Personen wird das Tätigkeitsspektrum steigen. Über Monate und Jahre wandert das nachbarschaftliche Engagement automatisch mit in die Grundpflege hinein, weil sich im Alltag Überschneidungen kaum vermeiden lassen. 

Titel: Florian Kiel ©thebuzzard

Titel: Florian Kiel ©thebuzzard

So wie einzelne Angehörige mit der Pflege überfordert sind, wären dies auch einzelne Nachbar:innen. Deswegen setzen wir darauf, ein Netzwerk von jeweils 5 bis 10 Personen um eine pflegebedürftige Person herum zu organisieren. Diese sollen möglichst selbständig, jedoch regelmäßig supervisiert und begleitet vom Fall-Management agieren. 

Die tätige Pflege innerhalb einer kleinen Nachbarschaft führt automatisch zu einer erhöhten Netzwerkaktivität im Quartier, anders ausgedrückt die soziale Teilhabe steigt immens an. Einkaufen, Bügeln, Essen, Lesen und Körperpflege sind soziale Interaktionen, umso mehr als sie von Nachbar:innen ausgeführt werden und nicht von professionellen Pflegekräften.

    • Leistung: Bis zu 1.000 Nachbar:innen sollen das benannte Tätigkeitsspektrum abdecken und damit zum Motor einer intensiven sozialen Teilhabe werden. 

    • Resultat: QuartierPflege sorgt indirekt auch für einen erheblichen Anstieg an Fürsorge im Quartier und damit zu einer sozialen Pflege.

    • Wirkung: Über die Grundversorgung in der Pflege hinaus kann die Stoßrichtung der QuartierPflege zu einer erhöhten nachbarschaftlichen Nähe  und zu einer Wiederbelebung sozialer Strukturen, gerade auch im ländlichen Raum führen. 

Die QuartierPflege macht den Menschen mit Unterstützungsbedarf ein Angebot. Sie entscheiden frei, haben die Wahl und können ihre vertraglichen Bindungen regulär widerrufen. 

Daneben gibt es noch andere gesetzliche Ansprüche für Menschen mit Beeinträchtigungen aber auch regionale zusätzliche Förderstrukturen pro Bundesland. Diese lassen wir aus Vereinfachungsgründen weg.


Bauliche Veränderungen

Kleinräumliche bauliche Anpassungen 

Drei Konzepte haben wir im Rahmen des Modellprojektes erarbeitet:

Die Senioren-WGs denken wir in einer Cluster-Struktur. Der Ausbau erfolgt so, dass von Vornherein der Privatraum klein ist und dafür ein höhere Anteil an Gemeinschaftsräumen innerhalb der Wohngemeinschaften vorgehalten wird.

Multifunktionale, offene Gemeinschaftsräume wie etwa eine QuartierKantine ermöglichen einen stärkeren sozialen Austausch im Quartier. Übers Essen hinausgedacht öffnen sich zudem Räume für Gruppenbetreuung. Das kann gemeinschaftliches Kochen, Lesen oder Schach spiele sein. Daneben können Räume für klassische Tagespflege und gruppenbezogene unterstützende Tätigkeiten vorgehalten werden. Letztere können beispielsweise Termine sein, für die ein örtlicher Friseur oder eine Kosmetikerin Stippvisite im Quartier macht.

Titel: Speisekammer als Gebäude

Titel: Speisekammer als Gebäude

Titel: Speisekammer als Raum

Titel: Speisekammer als Raum

Kleine separate Vorratsstationen ermöglichen die Nahversorgung. So können Einkäufe, die für andere mit erledigt werden, unabhängig von Präsenz getätigt werden. Die Sicherung kann über Hauswarte, Zugangscodes oder Schlüssel-Gemeinschaften gelöst werden. So können beispielsweise Familien, die ihren Wocheneinkauf machen, gleich für andere etwas mit besorgen, ohne dass ein großer Koordinationsaufwand anfällt. Die Stationen sind lokale Punkte sozialer Teilhabe. 

Mit diesen baulichen Anpassungen verändern wir das Leistungsspektrum der QuartierPflege. Wo die kleinen Versorgungsstationen die Engagementquote erhöhen und gerade für Menschen mit Pflegegrad 1 und 2 eine direkte Entlastung bedeuten, erweitern wir mit der QuartierKantine das Leistungsspektrum qualitativ.

Im Quartier sind somit Pflegestrukturen für Pflegegrad bis 3 und 4 denkbar. Die Senioren-Cluster-WGs runden das Spektrum ab. Selbst Personen mit Pflegegrad 5 können so betreut werden. 

Titel: QuartierKantine

Titel: QuartierKantine

Titel: Cluster-Senioren-WG

Titel: Cluster-Senioren-WG

    • Leistung: Gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft entwickeln wir pro Quartier bauliche Anpassungen, um Areale für die neuen Prozesse und Netzwerke zu schaffen.  

    • Resultat: Über neue Gemeinschaftsareale verstärken sich die von uns angestoßenen Netzwerk-Effekte. Zudem können neue professionelle Dienstleistungsformate, etwa Gemeinschaftstermine für Fußpflege, vor Ort stattfinden. 

    • Wirkung: Neue Areale in den Quartieren werden ganz neue Versorgungsstrukturen und Übergänge zwischen nachbarschaftlicher Pflege und professionellen Dienstleistern entstehen lassen. 


Finanzierung

Finanzierung aus Mitteln der Pflegeversicherung

Die Finanzierung der QuartierPflege basiert auf Mitteln der Pflegeversicherung. Das Modell kann in Stufen bzw. in einem zeitlichen Ablauf gedacht werden:

  1. Projektbezogene Anschubfinanzierung innerhalb der ersten ein bis zwei Jahre beim Aufbau eines Fall-Managements.

  2. Finanzierung aus Pflegegeldern beim Aufbau der Strukturen innerhalb der ersten zwei bis drei Jahre. 

  3. Finanzierung aus Pflegegeldern, Entlastungsbeträgen und anderen föderalen Förderstrukturen innerhalb der ersten drei bis vier Jahre. 

  4. Finanzierung unter Hinzunahme von Pflegesachleistung nach Anerkennung als Betreuungsdienst oder ambulanter Dienst nach drei bis fünf Jahren. 

Die Stufen sind an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft, die unterschiedlich schwer zu erfüllen sind: 

  1. Das Fall-Management schafft Grundvertrauen anhand erster erfolgreicher Beispiele. Eine Rentabilität ist nicht zu erzielen, weil der Aufbau von Strukturen und der Koordinierungsaufwand in keinem Verhältnis zu den Fallzahlen stehen. Daher ist eine Projektfinanzierung nötig. 

  2. Pflegegelder können voraussetzungslos an Angehörige, Nachbarn oder Dritte ausgeschüttet werden. Die Pflegekasse überweist die Gelder an die Pflegebedürftigen. Die Höhe ist abhängig vom Pflegegrad. Die Pflegebedürftigen wählen die QuartierPflege ab dem Zeitpunkt, wo sie Vertrauen fassen oder es kein alternatives Angebot gibt. 

  3. Die Erschließung zusätzlicher Finanzierungsquellen ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden, die pro Bundesland oder Kommune unterschiedlich ausfallen können. Das betrifft Schulungskonzepte, Quoten für Fachkräfte und ähnliches, die in den ersten Jahren etabliert werden müssen. 

  4. Pflegesachleistungen sind höher als Pflegegelder. Die Annahme ist, dass professionelle Anbieter:innen teurer sind als Nachbar:innen.  Allerdings kann auch die QuartierPflege durch professionelle Strukturen wie Schulungen und bei einer entsprechenden Quote von Fachkräften eine Anerkennung als Betreuungsdienst bzw. ambulanter Dienst erhalten.

Titel: Frau Regina Schulze, AOK ©thebuzzard

Titel: Frau Regina Schulze, AOK ©thebuzzard

Mittelfristig ist damit die Finanzierung der QuartierPflege gesichert und zwar im bestehenden gesetzlichen Rahmen der sozialen Pflegeversicherung.

Zudem sind die Kosten der QuartierPflege geringer als in der klassischen ambulanten Pflege. Die Personalkosten sind um bis zu 20 Prozent geringer, weil ein Mix aus Ehrenamt und Hauptamt tätig ist. Es fallen kaum Wegekosten an, daher sind die Betreuungszeiten pro Tag höher und Fahrtkosten geringer. Zudem kann in Gruppen betreut werden zum Beispiel beim Kochen, Einkauf, Fahrdienst, Vorlesen, soziale Kontakte und Gesprächen sowie bei der Nahrungsaufnahme und der Förderung der Motorik. Dadurch sinken die Kosten für spezielle Tätigkeiten um bis zu 80 Prozent. Demgegenüber steht nur ein erhöhter Koordinationsaufwand für das Fall-Management von 75 bis 100 Pflegebedürftigen pro Jahr. Insgesamt ist langfristig mit Einsparungen für die Pflegekassen zwischen 10 und 20 Prozent zu rechnen. 

Titel: Lutz Haake im Gespräch ©thebuzzard

Titel: Lutz Haake im Gespräch ©thebuzzard

    • Leistung: Die wachsende Fallzahl führt dazu, dass pro Quartier eine nachhaltige Finanzierung erreicht werde kann.

    • Resultat: Mittelfristig kann QuartierPflege selbst Träger eines Dienstes werden, um auch Pflegesachleistungen zur Finanzierung heranzuziehen. 

    • Wirkung: Langfristig könnte  im Rahmen der QuartierPflege nicht nur eine Grundversorgung sichergestellt werden, sondern auch über die Registrierung als ambulanter Dienst eine Vollversorgung angeboten werden. Punktuell hinzugezogene Pflegekräfte müssen dann nicht von außen dazukommen, sondern könnten intern disponiert werden. 


Formen des Engagements

Arbeiten in Ehrenamt, Teilzeit und Vollzeit 

Die Hälfte einer Nachbarschaft in der Pflege engagieren zu wollen, hört sich zunächst utopisch an. Allerdings benötigen wir auch eine Utopie, wenn wir die astronomische Zahl von bis zu 400.000  fehlenden Pfleger:innen kompensieren wollen. 

Als Engagement betrachten wir die eine Stunde Vorlesen im Monat genauso wie das wöchentliche Einkaufen oder die tägliche Hilfe beim Aufstehen. Alle Formen des Engagements zählen und müssen möglich werden. Daher setzt QuartierPflege auf Ehrenamt, Minijob, studentische Werkverträge, Teilzeit, Vollzeit in Anstellung oder Selbständigkeit. 

Für jede Form von Beschäftigung benötigen wir Rahmenverträge die ein Engagement von Nachbar:innen regeln. Da die QuartierPflege tätigkeitsbezogen organisiert ist, lässt sich für jede Tätigkeit und für jeden Grad von Verbindlichkeit ein Entgelt festsetzen. Weil wir vorab schulen, können wir das Qualifikationsniveau als Differenzkriterium vernachlässigen. 

Die tatsächliche Entlohnung vor Ort können wir nicht vorab regeln, weil unter anderen der örtliche Arbeitsmarkt und das örtliche Preisniveau Einfluss nehmen.  Wir schlagen jedoch vor, verbindliches ehrenamtliches Engagement mit 5 bis 8 Euro pro Stunde zu vergüten. Ein regelmäßiges Engagement von 10 Stunden pro Woche und mehr sollte höher vergütet werden, weil es sich hierbei nicht mehr um Ehrenamt handelt, sondern um eine dauerhafte, verlässliche Pflegeleistung - 10 bis 12 Euro pro Stunde. Für Tätigkeiten in der Grundpflege sollte eine höhere Vergütung  bezahlt werden, weil stärker geschult wurde und wir so ehemalige Fachkräfte gut mit in die QuartierPflege integrieren können - 13 bis 15 Euro pro Stunde. Für Springer-Tätigkeiten, Nachtschichten oder komplexe Tätigkeiten, die individuell nachgeschult wurden empfehlen wir bis zu 25 Euro die Stunde. Alle Stundensätze sind brutto und inklusive steuerlicher Arbeitgeberanteil. Wir sehen durch diese variable Form der Entschädigung die Grundvoraussetzung dafür erfüllt, dass Nachbar:innen sich wertgeschätzt fühlen können. 

Die QuartierPflege setzt darüber hinaus durch Schulung, Begleitung und Supervision gute Rahmenbedingungen für ein nachbarschaftliches, sinnstiftendes Gemeinschaftsgefühl. Dadurch kann ein Nachbarschaftsnetzwerk im Quartier hohe Qualität in der Sorge und Pflege sicherstellen, weil menschliche Nähe und gewachsenes Vertrauen vorhanden sind bzw. entstehen und gestärkt werden. Zudem ist durch die Kleinteiligkeit und unseren Netzwerk-Ansatz auch eine direkte soziale Kontrolle der nachbarschaftlichen Hilfe gegeben, so dass die Qualitätssicherung  nicht nur durch das Fall-Management sichergestellt wird. Die QuartierPflege wird zudem zu einem Motor der sozialen Teilhabe, weil Pflege eben auch Kochen, Spielen, Bügeln oder Spazierengehen ist. 

    • Leistung: Ziel ist es,  durch passende Vertragsverhältnisse und Wertschätzung, alle Arten des Engagements zu sichern. 

    • Resultat: Die Engagement-Quote der Nachbarschaft erhöht sich deutlich, weil für jede Lebenssituation Lösungen geschaffen sind: Studierende, alleinerziehende Eltern, Familien oder etwa rüstige Rentner:innen. 

    • Wirkung: Die soziale Teilhabe in Quartieren steigt deutlich. Gerade prekäre Lebensverhältnisse (zum Beispiel niedrige Ostrenten) können durch Tätigkeiten in der QuartierPflege gut abgefedert werden.  

Titel: Besucher:innen ©thebuzzard

Titel: Besucher:innen ©thebuzzard

Es ist mit einem erheblichen Beschäftigungspotenzial gerade in ländlichen Räumen zu rechnen, weil dort (Teilzeit)Arbeitsplätze knapp sind oder die Sorge und Pflege von Bekannten als deutlich angenehmer empfunden wird als eine alternative Beschäftigung im klassischen Niedriglohnsektor.  Gerade für Menschen mit einer niedrigen Rente ergeben sich erhebliche Zuverdienstmöglichkeiten.


Diskussionsrunde: Generationenübergreifend

Gute sinnvolle Bedingungen für alle Generationen

Die Hälfte einer Nachbarschaft zu mobilisieren benötigt einerseits Wertschätzung und monetäre Anreize. Andererseits muss der Ansatz generationenübergreifend sein, damit überhaupt zahlenmäßig eine so hohe Engagement-Quote möglich wird. 

Für jede Generation bzw. Zielgruppe muss es ein spezielles Angebot geben bzw. müssen Anreize gesetzt werden, damit ein Engagement möglich wird. Wir geben zwei Beispiele: Studierende und Familien mit Kindern.

Titel: Besucher:innen ©thebuzzard

Titel: Besucher:innen ©thebuzzard

Menschen im Studium benötigen günstigen Wohnraum auf Zeit und eine begleitende Finanzierung ihres Studiums. Diese Konstellation bearbeiten die Wohnpartnerschaften der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnen für Hilfe Deutschland. Studierende müssen soziales Engagement, Aufgeschlossenheit und Solidarität mitbringen. Die Wohnpartner:innen bieten freien Wohnraum (z.B. ein Zimmer) in ihrer Wohnung oder in ihrem Haus. Gegen Hilfeleistung wird der Wohnraum kostenfrei zur Verfügung gestellt.  

Diese Hilfeleistung sind bei Wohnen für Hilfe auf Gartenarbeit, Haushaltshilfe, Kinderbetreuung, Tierpflege oder gemeinsame Unternehmungen beschränkt. Die Studierenden leisten in der Regel für 1 qm überlassenen persönlichen Wohnraum 1 Stunde Hilfe im Monat. Ein Kooperationsvertrag regelt die individuellen Absprachen zwischen den beiden Wohnpartner:innen.

In den Richtlinien der Organisation sind Pflegeleistungen jeglicher Art ausgeschlossen. Diese Aussage ist jedoch nicht kongruent mit den gesetzlichen Leistungskatalogen für ambulante Pflegedienste. Denn auch Pflegedienste sind zuständig für hauswirtschaftliche Hilfen und Begleitung im Alltag. Anders formuliert übernehmen Wohnpartner:innen in dem Modell “Wohnen für Hilfe” eigentlich doch Fürsorge- und Pflegeleistungen, allerdings beschränkt auf Begleitung und Haushaltshilfe. 

Im Unterschied zu “Wohnen für Hilfe” stellen wir uns im Bereich der QuartierPflege langfristig auch vor, dass Studierende bei Tätigkeiten der Grundpflege - nicht Behandlungspflege, tätig werden können. Studierende gelten dann genauso als Nachbar:innen im Quartier und werden geschult eingesetzt. 

Zudem sind nicht individuelle Wohnpartnerschaften Teil der QuartierPflege, sondern Organisationen, die Wohnraum schaffen und anbieten. Das bedingt entweder Leerstand vor Ort oder eine adäquate Kompensation von Mietausfällen, um Wohnraum für Studierende vorzuhalten.  

  • Bei Leerstand können Kapazitäten von Studierenden direkt genutzt werden. Eine Bau- und Wohnungsgenossenschaft beispielsweise kann damit ihren Mitgliedern zusätzliche Dienstleistungen anbieten und ihren Förderzweck erhöhen. Auch andere Wohnungsgesellschaften stünde dieser Weg offen, um die Verweildauer älterer Menschen in ihrem Quartier zu erhöhen und damit die eigene Leerstandsquote dauerhaft zu senken. 

  • Wenn Mietausfälle kompensiert werden müssen, können diese aus Leistungen der Pflegeversicherung generiert werden. Der zu Pflegende bezahlt Leistungen von Studierenden und diese fangen den Mietausfall auf. In Abhängigkeit von Pflegegrad und Inanspruchnahme der QuartierPflege sind Überkompensationen möglich. 

Familien sind heutzutage dem alltäglichen Wahnsinn zwischen Pendeln, der Arbeit von Mann und Frau sowie der Kindererziehung ausgesetzt. Warum sollte da noch Zeit für die Sorge und Pflege von Nachbar:innen bleiben? 

Wir denken da an einen klassischen Tausch zu beiderseitigem Vorteil. Die QuartierPflege organisiert eine Aufsicht und Betreuung im Quartier, so dass Kinder bei Randzeiten und Ausfallzeiten bzw. Ferien in der Kita oder in der Schule trotzdem versorgt sind. Damit würde das Familienleben bisweilen leichter zu organisieren sein. Im Gegenzug stellen wir uns vor, dass ein Einkauf, ein Wäsche-Waschen oder ein gemeinsamer Spaziergang oder Spiele-Abend möglich wäre. Ein Tausch also zwischen Kinderbetreuung und Pflege. 

Das Universitätsklinikum Halle (Saale) etwa betreut über Tagespflegepersonen Kinder im Alter von zwei Monaten bis zum Schuleintritt. In Ausnahmefällen ist eine Betreuung auch samstags möglich. Auch eine stundenweise Betreuung der Kinder bzw. eine Abholung durch Aufsichtspersonen ist Teil des Angebotes.  Eine Ferienbetreuung wird gleichfalls angeboten. So stellen wir uns das im Quartier vor. 


Vergleichbare Ansätze

Buurtzorg, Netzwerke und Nachbarschaftshilfe

Wir mögen Buurtzorg alleine schon deswegen, weil mit der Initiative eine wirkliche Veränderung des Pflegeverständnisses in den Niederlanden einherging. Das zeigt uns für Deutschland ebensolche Möglichkeiten auf, nämlich eine flächendeckende QuartierPflege.

Buurtzorg baut auf kurzen Wegen und vertrauten Gesichtern auf. Das ist genau unser Ansatz, da Sorge & Pflege dann wieder als soziale Arbeit funktionieren kann. Entscheidender Unterschied ist, dass Buurtzorg auf Pflegefachkräfte setzt, wir auf Nachbarschaft. Mehr dazu finden Sie hier.

Wohnungsgenossenschaft Fortschritt e.G. Döbeln

Die Wohnungsgenossenschaft setzt stark auf Beratung, Begleitung und Unterstützung durch ein zentrales Fall-Management, aber auch auf die Vernetzung mit umliegenden Institutionen aus dem großen Bereich Pflege und Sorge. Diesbezüglich sind die Ansätze vergleichbar. Mehr dazu finden Sie hier.

Ein zentraler Unterschied ist die Betonung der Rolle von Nachbarschaft in der QuartierPflege. Wir möchten insbesondere für die Nachbarschaft alle denkbaren Hürden für ein Engagement senken oder aus dem Weg räumen.

Nachbarschaftshilfe in Bremen

Die Nachbarschaftshilfe in Bremen wird über die Paritätische Gesellschaft für soziale Dienste erbracht. Der Verband erbringt Beratungsdienste, die über die Pflegekassen bezahlt wird und hat einen Vermittlungsdienst für Ehrenamtliche aufgebaut, um die Nachbarschaftshilfe zu stärken. Der Paritätische vermittelt für zu Pflegende Ehrenamtliche als Hilfen im Haushalt für die Personenbegleitung oder zur Einzelbetreuung für Menschen mit Demenz. Die Ehrenamtlichen erhalten von den zu Pflegenden eine pauschale Aufwandsentschädigung von 8,50 Euro pro Stunde. Menschen mit einem Pflegegrad können sich diese Kosten von der Pflegekasse erstatten lassen.

Titel: Zuhörer:innen im Quartier ©thebuzzard

Titel: Zuhörer:innen im Quartier ©thebuzzard

Beratung und Vermittlung sind auch in der QuartierPflege Eckpfeiler. Wir denken jedoch breiter als in Bremen: wir möchten Nachbar:innen auch in den Bereichen Sorge und Grundpflege mit einbeziehen. Zudem beschränkt sich die Nachbarschaftshilfe in Bremen auf den Entlastungsbetrag von 125 Euro, weil der Paritätische auch in der Pflege tätig ist und deshalb vermutlich Pflegesachleistungen vollständig abrechnen möchte.


Flankierende Digitalisierung

Unterstützend und an den Menschen orientiert

Digitalisierung in der Pflege  wird von uns als eine flankierende Maßnahme angesehen. Im Zentrum der QuartierPflege stehen menschliche Austauschbeziehungen. Diese werden in unserem Modell über ein Fall-Management sowie über Kräfte der Selbstorganisation in der Nachbarschaft hergestellt. Ziel ist es, im Quartier ein Netzwerk aus 5 bis 10 Nachbar:innen pro pflegebedürftiger Person aufzubauen. Diese Aufgabe kann über schwarze Bretter, Telefon oder Gruppenzusammenkünfte erfolgen. Einfacher wird es, wenn Email, Chats oder Applikationen hinzutreten, die diese Koordinations- und Austauschprozesse stützen. Hierfür gibt es bereits Lösungen auf dem Markt, die speziell für die ambulante Pflege entwickelt wurden. Bestehende allgemeine Software-Lösungen können aber ebenfalls eine Rolle spielen, um das Fall-Management zu erleichtern. Hierzu zählen Emails und klassische Projekt-Management-Programme.  

Digitale, technischen Angebote sind bisher Insellösungen, die jeweils von den zu unterstützenden Menschen akzeptiert, vom Fall-Management integriert und helfenden Nachbar:innen erklärt werden müssen. Daher ist die Einführung immer an Projektkapazitäten gebunden und die Erfolgswahrscheinlichkeit sehr stark von den Beteiligten abhängig. Gleichwohl steckt sehr viel Potential in dieser Form der Digitalisierung für die QuartierPflege, weil wir die Funktionalität in einem Quartier standardisieren und auf andere Quartiere übertragen können.

  • Eine Nachbarin, die während eines Einkaufs per Handy einen Alarm empfängt, wenn die Nährlösung bei einer pflegebedürftigen Person nicht richtig nachfließt und nach Hause flitzt, ist froh um jede gewonnene Minute. 

  • Ein Angehöriger, der dank eines Sensorpflaster statt alle zwei Stunden umzulagern, ein Intervall durchschlafen kann, weil sich der Patient selbst – und wenn es nur minimal ist – bewegt hat, kann Kraft schöpfen. Diese Vielfalt an technischen Lösungsmöglichkeiten können wir uns in der QuartierPflege dienstbar machen. 

  • Rollatoren können über über eine Sharing-Applikation als gemeinschaftlich genutzter Fuhrpark in einem Quartier bereitstehen. 

Digitalisierung nimmt hier eine zweckdienliche Funktion ein; sie beginnt uns einen höheren Freiheitsgrad zu verschaffen. Die sich daraus ergebenden Möglichkeiten möchten wir diskutieren.

Digitale Kommunikationsplattformen wie Zoom oder Skype lassen sich ebenfalls in die QuartierPflege integrieren. Diese dienen der Etablierung einer virtuellen Gemeinschaft beispielsweise für bettlägerige Menschen im Quartier, die  dadurch trotzdem an Gruppen-Aktivitäten außerhalb ihres Aktionsradius teilhaben können. Auch die individuelle Kommunikation mit Angehörigen, Freunden und Nachbar:innen lässt sich so herstellen. Unter diesem Blickwinkel können digitale Produkte pflegende Gemeinschaften entstehen lassen, die eine Nähe schaffen, die sonst schwieriger herzustellen wäre. 

Digitale Dienstleistungen und Produkte so einzuführen, dass die Nutzer:innen direkt einen Mehrwert erkennen, eine leichte Bedienung Hürden gar nicht erst entstehen lässt und weniger technik-affine Menschen ebenfalls mitgenommen werden können, ist für die QuartierPflege von besonderer Bedeutung.  .

Titel: Bewohner:innen im Rosengarten @thebuzzard

Titel: Bewohner:innen im Rosengarten @thebuzzard

Titel: Podiumsteilnehmer:innen ©thebuzzard

Titel: Podiumsteilnehmer:innen ©thebuzzard


QuartierPflege Blog