Projekt QuartierPflege Pilot Leipzig
Ziel und Zeitschiene des Projektes
In zwei ausgewählten Kleinquartieren möchten wir eine Anzahl von 50 Pflegebedürftigen über ein gesteuertes und angeleitetes Nachbarschaftsnetzwerk unterstützen. Dieses Ziel werden wir über einen Projektzeitraum von 4 Jahren sukzessive erreichen. Dazu wollen wir voraussichtlich 100 bis 150 Nachbar:innen mobilisieren, die nachbarschaftliche Sorge-, Hauswirtschafts- und Grundpflegeleistungen erbringen.
Unser Projektziel ist es nicht, die gesamte pflegerische Versorgung für diese Personengruppe zu übernehmen, sondern bestehende Pflegestrukturen so zu flankieren, dass professionelle Dienste sich auf anspruchsvolle pflegerische Tätigkeiten konzentrieren können.
Wir möchten zeigen, dass wir mit der QuartierPflege den Fachkräftemangel so deutlich reduzieren können, dass deutschlandweit eine ausreichende pflegerische Grundversorgung sichergestellt werden kann.
Wirkungen
Aus der QuartierPflege sollten sich folgende Verbesserungen für unsere Zielgruppen als auch die Pflegebranche ergeben:
Alternative, krisenfeste Betreuungsangebote, wenn ambulante Pflegedienste in 2030 oder früher nicht mehr verfügbar sind.
Durch den Fokus auf 1.000 bis 1.500 Wohneinheiten pro Quartier schaffen wir wohnortnahe Beratung, Begleitung und Koordinierung, also ein Fall-Management direkt vor Ort.
Die abgestimmte Teamarbeit von Nachbar:innen für Menschen mit Pflegebedarf führt zu Austausch und vertieften sozialen Beziehungen. Die soziale Teilhabe im Quartier erhöht sich deutlich und damit auch Austausch zwischen Menschen mit Pflegegrad und ohne.
Der regelmäßige Erfahrungsaustausch zwischen den Nachbar*innen der QuartierPflege trägt wesentlich zur Vertiefung und Erweiterung des Wissens und zur Professionalisierung der Laienpflege bei.
Der direkte Einbezug der Wohnungsträger führt zu einer generationengerechten Infrastruktur, weil kleinräumliche Anpassungen im Quartier barrierefreie und natürliche Treffpunkte für Gemeinschaftsangebote werden.
Die Pflegegelder bieten ein enormes Potential, den Zusammenhalt vor Ort zu stärken. Ein wertschätzendes gesellschaftliches Umfeld und wachsendes Verständnis füreinander führen zu mehr Zeit, mehr Sorge, mehr Aufmerksamkeit durch bekannte Gesichter aus der Nachbarschaft.
Sie können ab jetzt mitmachen, sich interessieren und zu uns Kontakt aufnehmen: als Nachbar:innen, als Menschen mit Pflegebedarf, als Angehörige oder auch als Kooperationspartner:innen im Quartier.
Wissenschaftliche Begleitung
Um das Projekt wissenschaftlich zu flankieren, arbeiteten wir in der Aufbauphase mit der TU Chemnitz und der HTWK Leipzig zusammen. Dabei ging es uns sowohl um eine intensive Auseinandersetzung mit den Motiven und Bedürfnissen der betroffenen Personen als auch um (standardisierte) kleinräumliche bauliche Veränderungen in Kleinquartieren.
In der Umsetzungsphase wird die wissenschaftliche Begleitung im Rahmen des Projektes QuartierPflege IT-Systemlandschaft Phase II durch die HAW Hamburg fortgesetzt.
Lenkungskreis
Für dieses Projekt arbeiten wir mit ambulanten Diensten, den Kirchen und den Pflegekassen zusammen, um über eine koordinierte Ansprache und einheitliche Strukturen die Nachbarschaft zu gewinnen. Dies sind bislang die ABE Zuhause gGmbH, die AOK Plus für Thüringen und Sachsen und die Evangelischen Kirche Leipzig. Mit vielen weiteren Partner:innen sind wir im Gespräch.
Mehr zur QuartierPflege am Standort Leipzig finden Sie unter folgendem Link:
Pilotierte Quartiere und Zugang zur Zielgruppe
Straße des 18. Oktober – Messemagistrale
Die ca. 1.600 durch die LWB verwalteten Wohnungen entlang der Str. des 18. Oktobers und einiger Nebenstraßen wurden komplett in Plattenbauweise der 70er Jahre in 11- und 16-geschossiger Bauweise errichtet und zu Ende der 90er Jahre umfassend saniert. Statistisch gesehen liegt das Wohngebiet im Ortsteil Süd-Ost, welcher insgesamt 14.300 Wohnungen umfasst.
Südvorstadt
Unmittelbar angrenzend und im Einzugsbereich des QuartierPflege-Büros in der Straße des 18. Oktober befindet sich der heterogene, lebendige und bevölkerungsreichste Stadtteil Leipzigs, die Südvorstadt. Mittlerweile gilt das Viertel als eines der saniertesten der Stadt, geprägt von historischen Altbauten, die seit 1900 kontinuierlich saniert wurden, und modernen, seniorengerechten Wohnungen. Aufgrund seiner Nähe zum Zentrum und zur Universität Leipzig, der vorhandenen Grünflächen und der guten Verkehrsanbindung bietet es Wohnraum für viele Studierende, aber auch für ältere Menschen. Der relativ hohe Anteil an Bewohner: innen im Alter zwischen 25 und 40 Jahren bietet eine gute Basis für nachbarschaftliches Engagement im Rahmen der QuartierPflege, das die älteren Stadtteilbewohner: innen bei der Bewältigung ihres Alltags unterstützt.
Die Einbettung in den Sozialraum vor Ort findet zuvorderst über die dort etablierte Vereins- Sozialarbeits- und Pflegelandschaft statt. Derartige strategischen Partner:innen sind unser Kernzugang zur Zielgruppe. Die Wohnungsträger kennen darüber hinaus die baulichen Voraussetzungen in den Quartieren und sind der erste Ansprechpartner für bauliche Veränderungen etwa mit Blick auf Barrierefreiheit oder Belebung des öffentlichen Raumes.
Umsetzung
Nach der Projektaufbauphase, in der wir den Teamaufbau vorangetrieben, ein gemeinsames Verständnis von QuartierPflege unter den kooperierenden Partner:innen erarbeitet und die genaue Vorgehensweise im Fallmanagement abgestimmt haben, befinden wir uns derzeit in der Umsetzungsphase.
Die QuartierPflege am Standort Leipzig hat sich zu einem Begegnungsort entwickelt, der allen Zielgruppen - seien es Pflegebedürftige, pflegende Angehörige oder Nachbar*innen - eine maßgeschneiderte Beratung zu ihren Anliegen durch das Fallmanagement vor Ort bietet:
mögliche Unterstützungsleistungen;
Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Pflegeleistungen;
Organisation vor Ort kostenlose Pflegeberatung zur Beantragung des Pflegegrades, Höherstufung bei zunehmender Pflegebedürftigkeit etc.;
Entlastungsangebote für Angehörige;
Qualitätssicherung der Versorgung durch unterstützende Nachbar*innen;
Schulung der Nachbar*innen;
Mitwirkungsmöglichkeiten für Nachbar*innen;
Vertragliche Einbindung und Vergütung von Nachbar*innen;
Gemeinschaftsaktivitäten und Veranstaltungen mit Quartiersakteuren und noch viel mehr.
Die Bildung und Begleitung von Sorgegemeinschaften gehört zur Kernarbeit des Fallmanagements vor Ort. Diese unterliegen heute einem standardisierten Verfahren, das zu einer nachhaltigen und verlässlichen Versorgungssicherheit für die pflegebedürftigen Menschen in Quartieren führt. Bisher wurden zahlreiche Sorgegemeinschaften gebildet, an denen sich mehr als 100 Personen beteiligen. Bei der Bildung von Sorgegemeinschaften legt das Fallmanagement vor allem großen Wert darauf, Pflegebedürftige und Nachbar*innen zusammenzubringen, die nicht nur in Bezug auf die Unterstützungsleistungen, sondern auch von ihren Charaktereigenschaften zueinander passen. Damit kommen wir dem Wunsch der Pflegebedürftigen „von wem möchte ich unterstützt werden“ bzw. dem Wunsch der Nachbar*innen „wen und wie viel möchte ich unterstützen“ entgegen und fördern die Bildung von nachbarschaftlichen Netzwerken.
Die Einsatz- und Versorgungsplanung wird nach umfassenderen Erstgesprächen des Fallmanagements mit den Betroffenen, ihren Angehörigen und Nachbar*innen erstellt. Nach den ersten Einsätzen erfolgt eine Abstimmung mit allen drei Zielgruppen, um eine mögliche Überforderung der Nachbar*innen zu vermeiden, die Form der Unterstützung besser auf die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen abzustimmen und damit die Angehörigen entsprechend zu entlasten. Die pflegebedürftigen Personen erhalten derzeit im Rahmen der QuartierPflege Unterstützung von zwei oder mehr Nachbar*innen, je nach Pflegegrad und der damit einhergehenden Form und Umfang der benötigten Hilfe.
Die Nachbar*innen der QuartierPflege stellen eine heterogene Gruppe dar, die sich hinsichtlich beruflichem Hintergrund, Alter, Herkunft, Lebenssituation, Form des Engagement etc. charakterisiert. Momentan sind als Nachbar*innen Renner*innen, Studierende und Allziehende mit dabei. Einige der Nachbar*innen, die bereits über die benötigte Qualifizierung verfügen, werden unter Anleitung durch das Fallmanagement sofort eingesetzt, andere werden über kooperierende Partner*innen vor dem Einsatz geschult. Die vertragliche Einbindung und Vergütung der Nachbar*innen wird durch das Fallmanagement koordiniert und über kooperierende zugelassene Pflegedienstleister (ABE Zuhause gGmbH; gemeinnützige Zuhause Leipzig GmbH) abgewickelt.
Um die Qualität der Versorgung zu sichern, werden mehrere Maßnahmen ergriffen. Die regelmäßig vom Fallmanagement organisierte Austauschrunde für Nachbar*innen sowie die Pflegebedürftigen ist dabei eine dieser wichtigen Nachsorgemaßnahmen. Austauschrunden fördern den sozialen Zusammenhalt und stärken auch das Vertrauen zwischen allen Mitwirkenden, einschließlich des Fallmanagement. Die Nachbar*innen bringen ihre Erfahrungen und Ideen ein, was dazu beiträgt, die Unterstützung für die Pflegebedürftigen zu verbessern und individuell anzupassen. In einem geschützten Rahmen können Ängste und Unsicherheiten besprochen werden, wodurch ein Gefühl der Gemeinschaft und Zugehörigkeit entsteht.
Das Konzept der QuartierPflege am Standort Leipzig hat sich inzwischen aufgrund der Vielfaltsmerkmale der Mitwirkenden (Grad der Pflegebedürftigkeit, Art der Unterstützung, Vorliegen einer Behinderung, Form des Engagement, Lebenssituation, Herkunft, Alter, Ausbildung, beruflicher Hintergrund etc.) zu einem Konzept entwickelt, das nicht nur Pflege im Alter bedeutet, sondern auch Pflege eines Quartiers, das pflegerische Fürsorge, Inklusion und Integration miteinander vereint und fördert.
Bauliche Veränderungen im Quartier
Soziale Teilhabe durch Architektur
© Ahrendt & Indlekofer | HTWK 2022
Gemeinsam mit der HTWK Leipzig entwickeln wir für die beiden Quartiere bauliche Anpassungen, um Areale für mehr Gemeinschaft und soziale Teilhabe zu schaffen.
Über neue Gemeinschaftsareale sollen sich die von uns angestoßenen Netzwerk-Effekte verstärken. Zudem können neue professionelle Dienstleistungsformate, etwa Gemeinschaftstermine für Frisöre, Kochen oder Fußpflege, vor Ort stattfinden.
Durch die Anpassungen in den Quartieren werden ganz neue Versorgungsstrukturen und Übergänge zwischen nachbarschaftlicher Pflege und professionellen Dienstleistern entstehen können - so unsere Vision.
Neue Konzepte durch Master-Studierende der HTWK
Wir haben gemeinsam mit der HTWK im Wintersemester 2021/2022 in einer Klasse von 25 Studierenden Konzepte erarbeitet wie wir die QuartierPflege unterstützen können.
Neun verschiedene Entwürfe sind erarbeitet worden, von denen wir einige hier ausschnittsweise präsentieren. Ziel ist es, innerhalb der nächsten ein, zwei Jahre erste Ideen umzusetzen.
Eine Arbeit präsentieren wir als vollständigen Entwurf, weil wir die universelle Anwendbarkeit auf alle Quartiere, die hohe Umsetzbarkeit und die Detailanalyse für unsere beiden Kleinquartiere sehr gut veranschaulicht sehen.
Gerne hier klicken oder auf Bild.
@ Härcher & Sander | HTWK 2022
©Choi & Kurth | HTWK 2022
© Ahrendt & Indlekofer | HTWK 2022