Kapitel beendet? Der Populismus und die CSU - Gespräch Teil I

Henrik Meyer kommentiert das aktuelle Verhältnis der CSU zum Populismus auf seinem Blog "Echt politisch!". Die CSU sei standhaft geblieben, gerade im Vergleich zu den Sommermonaten 2018, zu welcher Zeit die Partei aufgrund der anstehenden Landtagswahlen mindestens nervös war. Teils persönlich keilten CSU-Spitzenpolitiker gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel aus, der bayerische Ministerpräsident löste beinahe die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU auf und lud den ungarischen Ministerpräsidenten demonstrativ zur CSU-Klausur ein, um neuen Schlagworten wie Asyltourismus und einer Infragestellung des Multilaterismus zusätzliches Gewicht zu verleihen.

Heute sei die CSU mit Manfred Weber wieder stärker pro-europäisch ausgerichtet und hätte nach einem blauen Auge bei der Landtagswahl 2018 wieder in die politische Mitte zurückrudern müssen. Ohnehin sei festzustellen, dass zudem weder die FDP, noch die CDU der populistischen Versuchung erlegen sei. Vielleicht gelte es einen Merkel-Ballast abzuwerfen, aber ein Rechtsruck unter AKK sei unwahrscheinlich. Insgesamt habe die deutsche Parteienlandschaft die AfD mit einer Demarkationslinie umgeben und Abstand gehalten. Gerade im Vergleich zu Spanien, Österreich oder Großbritannien sei das doch ein gutes Zwischenfazit.

Titel: Löschen ohne Feuer © Rüdiger Britten

Titel: Löschen ohne Feuer © Rüdiger Britten

Ich möchte meinem Freund Henrik entgegnen:

Die CSU hat sich in der Wortwahl in den letzten Monaten zurückgenommen, weil die Verluste der CSU in der Landtagswahl 2018 augenscheinlich daraus resultierten, dass Wähler*innen entweder das Original AfD wählten oder sich abgestoßen fühlten und in Scharen grün statt weißblau wählten. Schon seit 2017 hatte die CSU jedoch Bundeskanzlerin Merkel und die CDU so vor sich hergetrieben, dass die politischen Grundlinien in der Flüchtlings- und Immigrationspolitik verschoben wurden. Trotz Angela Merkels unveränderter Rhetorik befinden wir uns in einem fragwürdigen Deal mit der Türkei, sind Bündnisse mit zwielichtigen Warlords in Nordafrika eingegangen und haben die Abschottung der EU-Außengrenzen vorangetrieben. Insofern hat die CSU die Richtung der deutschen Politik weitgehend in ihrem Sinne beeinflussen können.

Ich halte die CSU dennoch für populistisch, wenn darunter eine von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik verstanden wird, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen zu gewinnen (siehe hierzu die Definition der Bundeszentrale für politische Bildung). Denn der Versuch weitere Herkunftsländer zu sicheren Drittstaaten zu erklären, ändert nichts an der dortigen katastrophalen Menschenrechtslage. Die Zusammenarbeit mit Warlords ist nicht mit den Werten des Grundgesetztes oder der EU vereinbar und die Abschottung der EU-Außengrenzen ethisch nicht vertretbar, weil schließlich wir hauptverantwortlich dafür sind, dass die Lebensgrundlagen in Afrika und im Nahen Osten schwinden: Klimaerwärmung, Kriege im Irak und Syrien und nicht zuletzt die EU-Agrar- und Wirtschaftspolitik. Insofern ist die politische Haltung der CSU einseitig zu Gunsten von Menschen ausgerichtet, die an Kriegen oder am heutigen Kapitalismus verdienen (opportunistisch). Sie ist außerdem in Teilen demagogisch, weil Tatsachen bewusst verschwiegen oder vertuscht werden, beispielsweise indem von "sicheren Orten" in Libyen gesprochen wird. Die CSU befindet sich außerdem in einem populistischen Mainstream, der von weiten Teilen der CDU und FDP geteilt wird.

Inwiefern diese politische Ausgangslage geeignet ist, den weiteren gesellschaftlichen Vormarsch von rechtspopulistischen bis rechtsradikalen Tendenzen aufzuhalten, ist mehr als fraglich. Wir können allenthalben beobachten, dass sich die Sorge vor wirtschaftlichen Veränderungen (Klima, Aufstieg Chinas) und der tatsächliche Verlust von (relativem) Wohlstand in weiten Teilen der Bevölkerung durch Globalisierung in nationalistischen Tendenzen ausdrückt sowie das gesellschaftliche Klima weniger offen, wenn nicht sogar regressiver werden lässt. Solange die extreme Ungleichverteilung von Wohlstand durch Klimaerwärmung, Globalisierung, unsere heutige Wirtschaftsordnung und dessen mangelnde und mangelhafte Steuerpolitik nicht politisch verändert wird, werden Parteien wie die AfD, der Rassemblement National in Frankreich oder die Lega in Italien gute Chancen haben, das populistische Wettrennen mitzumachen oder gewinnen zu können.

Henrik verwendet den Begriff einer Demarkationslinie, mit der die anderen Parteien zur AfD Abstand halten. Demarkieren heißt Grenzen ziehen, also in der politische Arena den Gegner bestenfalls ignorieren. Das Gegenteil ist der Fall. Die deutsche Politik reagiert seit Monaten bis Jahren auf die Agenda der AfD und lässt sich immer mehr hineinziehen. Dabei verwischen bisherige Haltelinien, denn politische Argumentationslinien bewegen sich insgesamt auf AfD-Positionen zu. So ist etwa die wichtige Grenze, nicht zu koalieren, in Sachsen bereits durch ein wichtiges Mitglied der CDU-Fraktion in Frage gestellt worden. Insoweit erinnert mich die politische Situation an den Begriff des Einhegens: der Versuch, Hitler zu umgarnen, schlug bekanntlich fehl. Gründe waren das mangelnde Verständnis der Begüterten für (relative) Armut, neu aufkommende Massenmedien, europaweit verbreiteter Nationalismus und extremes demagogisches Talent.

Ich zöge eine andere Politik vor, die endlich Anstrengungen unternimmt, Realitäten zu verändern: Wirtschaftsordnung, Klimawandel und Massenmedien. Für viele Probleme gibt es sicher keine fertigen Lösungsschablonen, aber wir als Individuen wissen meistens sehr genau, ob Handlungen legitim sind und ob wir uns gesellschaftlich in die richtige Richtung bewegen.

Kapitel beendet? Der Populismus und die CSU - Gespräch Teil II

Häusliche Pflege: An der Grenze der Belastbarkeit