Gedanken zum Gemeinsinn KW 38

Ernsthaftigkeit ist gefragt

Leben wir in Weimarer Zeiten fragt sich Michael Wildt in einem Gastbeitrag für die ZEIT.

  • Die Polizei ist in der Lage rechter Gewalt zu begegnen und hat diese Rolle zumindest in Preußen bis 1928 auch aktiv übernommen, so Wildt. Hat trotzdem nicht gereicht, so möchte man anfügen. Daher ist es umso wichtiger, dass neu entstandene Netzwerke, die bis zu 2.500 gewaltbereite Menschen in einem Flashmob versammeln können, zu verbieten sind. Wo bleibt die politische Initiative?

  • Wenn wir doch jahrelang zum NSU ermittelt haben, wenn wir V-Männer in der rechten Szene platziert hatten, warum wissen wir dann immer noch so wenig über diese Netzwerke? Welche Rolle spielte der Verfassungsschutz und damit unser Staat bei der Finanzierung und beim Aufbau dieser rechtsradikalen Strukturen? Warum finden sich keine Abgeordnete des Bundestages, die diese Sachverhalte öffentlichkeitswirksam aufklären? Dazu gibt es einen nachdenklich machenden Artikel vom Anwalt der Nebenkläger.

  • Warum schreitet etwa die Polizei bei klar verfassungsfeindlichen Redebeiträgen in Köthen nicht direkt ein? Wie kann es sein, dass 1.500 Polizisten keine 7.000 Demonstranten in den Griff bekommen? Das Gewaltmonopol des Staates bei Demonstrationen durchzusetzen ist ein Zusammenspiel aus Innenministerium, strategischer Einsatzplanung und Polizisten vor Ort. Welche Politiker*Innen stellen Fragen dazu, an welchem Punkt die offensichtlichen Probleme entstanden sind?

Das Ernstnehmen von verfassungsfeindlichem Verhalten war damals wichtig und ist es auch heute. Wenn sich eines aus der Weimarer Zeit lernen lässt dann dieses: es waren zu wenige Menschen, sie waren zu leise und haben zu wenig Macht ausgeübt oder sich angeeignet, um den Gang in den Nationalsozialismus zu verhindern. Das muss uns für die heutige Zeit ermahnen, rechtzeitiger, dezidierter und gewichtiger einzuschreiten. Das muss uns eine Lehre sein, Verantwortliche zu mehr Ernsthaftigkeit aufzufordern, um unser Gemeinwesen zu schützen.

  • Die Diskussion sächsischer Vertreter von Parteien und Zivilgesellschaft im Deutschlandfunk ist ein Beispiel dafür wie informativ und anregend ein solcher ernsthafter Diskurs jenseits der üblichen Polit-Show sein kann.

  • Es wird deutlich wie die Offenheit einzelner politischer Repräsentanten verpufft, wenn die allgemeine Verwaltung nicht ihrerseits mitzieht und Anknüpfungspunkte für die Zivilgesellschaft entwickelt.

  • Mir wird nach dieser Diskussion deutlich, was Stringenz und Konsequenz im politischen Handeln in diesen Wochen wert wäre: Man stelle sich vor, dass ein zuständiger Bundesinnenminister mit Länderkollegen und örtlichen Einsatzleitungen Probleme in der Durchsetzung der Staatsgewalt vor Ort diskutierte, konkrete Schlussfolgerungen zöge und diese zur Rückversicherung der Bürger*Innen öffentlich kommunizierte.

  • Es wäre auch eine Rückversicherung für Überlebende des Holocaust, dass wir aus der Geschichte die richtigen Schlüsse gezogen haben. Das diese das ganz empfinden, macht ein Artikel im Spiegel deutlich.


Titel: Handeln tut gut © Ricarda Kiel

Titel: Handeln tut gut © Ricarda Kiel

Organisierte Verantwortungslosigkeit überwinden

Einen ähnlichen Grundgedanken hege ich in der Umweltpolitik. Wir erleben einen heißen Sommer nach dem nächsten, sprechen über die Entwicklung einer Heißzeit und glauben diese mit ein bisschen Geo-Engineering abwenden zu können. Dabei haben wir keinen der aktuellen Mega-Trends gebrochen, die zur Erderwärmung beitragen:

  • Trotz steigender Effizienz verbrauchen wir immer mehr Ressourcen.

  • Trotz hohem Wohlstand hinterfragen wir ökonomisches Wachstum nicht.

  • Trotz rapide steigendem Artensterben leben wir weiter wie bisher.

Auch hier fehlt Ernsthaftigkeit im politischen Handeln genauso wie im alltäglichen Handeln jedes Einzelnen. Dazu hier einige Ideen und Anregungen.

Gedanken zum Gemeinsinn KW 40

Gedanken zum Gemeinsinn KW 36