Ehe 4 alle

Titel: Vistas

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Über die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare hat sich Deutschland mehrheitlich gefreut. Ihre Einführung zeigt Eigenarten unserer Gesellschaft auf.

Über die Ehe für Alle ist schon allerhand geschrieben worden. Ich teile den Jubel darum, möchte ihn an dieser Stelle allerdings nicht wieder aufkochen sondern zwei andere, persönliche Gedanken zur Sprache bringen:

In den Köpfen hat ein echter Wandel stattgefunden

Erstens: Vor elf Jahren waren laut dem Umfrageinstitut „Angus Reid“ 48% in Deutschland explizit gegen die Ehe für Alle, während nun im Jahre 2017 diese Nummer laut SUZ auf 17,4% schmolz. Das ist ein Zeichen von echtem gesellschaftlichen Wandel, denn die selben 48% Prozent, die 2006 noch dagegen waren, müssen sich nun anteilig umentschieden haben. Verstorben können sie nicht alle sein. Es hat sich demnach etwas in den Köpfen bewegt. Das führt zu einer Menge Fragen nach dem Warum, von denen ich eine hier anschneiden will. Denn ich glaube, dass die Zustimmung zur Ehe für Alle eng verknüpft ist mit dem verfallenen Ansehen der Institution „Ehe“. Zwei Faktoren machen den Verfall deutlich: Ehen werden seit 1950 immer häufiger geschieden und immer seltener geschlossen. Die Ehe nimmt längst nicht mehr den selben Stellenwert ein, den sie früher einmal hatte. Es gibt also auch immer weniger Grund dazu, sich zu erregen, wenn nun auch Lesben heiraten dürfen. Nur einer Minderheit ist die „traditionelle Ehe“ als solche noch so viel wert, dass sie in Wut ausbräche, wenn sich deren Definition nun etwas ändert. Das hängt auch mit dem gesunkenem Einfluss von Religion auf unser Leben zusammen. In diesem Sinne, könnte die Ehe für Alle sogar dazu führen, dass insbesondere die Kirchen eine Möglichkeit bekommen, wenn sie klug sind, ihr Angebot der Lebensführung mit einem Partner -die Ehe-, wieder salonfähig zu machen und dessen Attraktivität für die Gesellschaft zu stabilisieren.

Hergebrachte Lebensmodelle werden eher übernommen als Neue etabliert

Zweitens: Die Ehe für Alle zeigt vielleicht gerade wie schwierig wir in der Gesellschaft Unterschiede dauerhaft aushalten oder bewahren wollen. Wie groß unser Wunsch ist, Dinge einander anzugleichen und wie sehr Unterschiede in unseren Köpfen mit Ungleichheit einhergehen.

Der Wunsch von Homosexuellen explizit in eine ihnen stets feindliche aber eben von der Gesellschaft vormals geehrte Form des Zusammenlebens zu kommen, ist doch sehr bemerkenswert und kann wohl auch aus dem oben genannten Wunsch der Anpassung heraus erklärt werden. Ausgerechnet die Ehe, über die lange Zeit die katholische Kirche die Deutungshoheit hatte und die Homosexuellen deshalb feindlich war, galt und gilt für diese nun in großer Zahl als begehrens- und erstrebenswert.

Dabei hätte sich die eingetragene Lebenspartnerschaft, welche es in Deutschland gibt und welche rechtlich in vielen Punkten, auch in dem des Ehegattensplittings der Ehe gleichgestellt ist, als neue ebenso geachtete Form des Zusammenlebens etablieren können. Stattdessen aber kämpften Homosexuelle und eine Mehrzahl der Gesellschaft mit ihnen unter hohem Krafteinsatz darum dieses alte Modell der Ehe für sie zu öffnen statt die Lebenspartnerschaft vollends anzugleichen. Sicher spielt hier der Wunsch nach Normalität und der Wille Dinge einfach einordnen zu können eine große Rolle. Man frisst am liebsten, was man kennt.

Normalität statt Werteänderungen

Ganz allgemein glaube ich, dass auch heute die Befürwortung der Ehe für Alle keiner fundierten moralischen und überlegten Geisteshaltung folgt, denn dieser moralische Unterbau hat sich in den letzten elf Jahren nicht verändert, sondern salopp gesagt aus einem Mitgefühl gegenüber der LGTB-Gemeinschaft entsteht, welches zahlreiche Christopher Street Days und schöne Bilder von Schwulen die einander die Hand halten herbeigezaubert haben. Eine solche Stimmung, lässt sich jedoch umschlagen, weil sie eben nicht einer gefestigten Haltung, sondern einem Gefühl folgt. Wir sehen das derzeit in Ungarn, Polen und anderen osteuropäischen Ländern. Es gibt keinen Anlass zu glauben, dass dies in Deutschland derzeit passieren könnte aber es ist gut dies im Kopf zu behalten.

Email-Brief an Frau Maischberger zur Sendung - Gewalt in Hamburg

Donald T.