Gefördert durch

 

Ambulante Pflegedienste aus Nachbar*innen und Angehörigen

 

Motiv

Personalnotstand mit Menschlichkeit begegnen

Laut Forsa-Umfrage vom März 2023 machen sich über 50 Prozent der Menschen große oder sehr große Sorgen für den Fall, einmal selbst pflegebedürftig zu werden. Studien prognostizieren eine Personallücke von bis zu 400.000 Pfleger:innen die uns schon im Jahr 2030 fehlen werden. Wir wollen diesem absehbaren Notstand so stabile und gute Rahmenbedingungen für das Engagement von Nachbar*innen und Angehörigen entgegensetzen, dass Menschen mit Pflegebedarf trotzdem die Fürsorge, hauswirtschaftliche Unterstützung und Grundpflege werden erhalten können, die sie brauchen und verdienen.

  • Selbst wenn eine Umwandlung der Pflegeversicherung in eine Vollversicherung Gesetz würde, ist es dennoch höchst fraglich, ob der Pflegeberuf im Vergleich zu anderen Berufen so attraktiv ist, dass genügend Neueinstellungen erfolgten.

  • Die Zahl der pflegenden Angehörigen wird nicht mehr steigen. Unsere Arbeitswelt, unsere modernen Lebenswelten lassen dies nicht zu. Zudem bringt die Last der Pflege Familien emotional und finanziell an ihre Grenzen, was bereits heute zu viel diskutierten Problemen führt - häusliche Gewalt, Gender-Gerechtigkeit etc.

  • Digitalisierung, genauer Robotisierung, ist ein denkbarer Ansatz und würde dem Problem vielleicht rein zahlenmäßig gerecht. Ob damit komplexe Tätigkeiten abgedeckt werden können, bleibt höchst fraglich. Menschliche Fürsorge bliebe weiterhin vernachlässigt.

Die einzige zahlenmäßig ausreichende Gruppe, die diesen Fachkräftemangel und die damit verbundenen Probleme lindern kann, sind wir - Nachbar*innen und Angehörige

Vision

Mobilisierung von Nachbarschaft neu denken

Aktuell gibt es unzählige Nachbarschaftsprojekte und Initiativen, die sich in der hauswirtschaftlichen Unterstützung, der Fürsorge und Pflege engagieren. In der Summe leisten sie jedoch keinen ausreichenden Beitrag, um die absehbare Versorgungslücke schließen zu können. Der Grund hierfür liegt in ungenügenden Rahmenbedingungen für Nachbar*innen:

  • Nachbarschaftshilfe wird weitgehend ehrenamtlich gedacht und begrenzt sich damit fundamental.

  • Doppelverdiener-Strukturen und Job-Belastungen lassen den Menschen weniger Raum für zusätzliche Aktivitäten. Darauf geben bestehende Ansätze kaum Antworten.

  • Lokale Nachbarschaften erodieren und familiärer Zusammenhalt sinkt. Auf diese geringeren emotionalen Bindungen mit unseren Mitmenschen müssen wir reagieren, wenn sich Nachbar:innen engagieren sollen.

Wir ändern Rahmenbedingungen für Nachbar*innen und Angehörige so umfassend , dass sich die Wahrscheinlichkeit für mehr Engagement deutlich erhöht. Damit mildern wir den Fachkräftemangel so ab, dass eine flächendeckende pflegerische Grundversorgung auch in den nächsten Jahren möglich ist.

Vorteile

Grundversorgung als soziale Teilhabe vor ORt

Einkaufen, Bügeln, Essen, Lesen und Körperpflege sind soziale Interaktionen, umso mehr wenn sie von uns bekannten Nachbar*innen und Angehörigen ausgeführt werden und nicht von professionellen Pflegekräften, die wir nicht kennen und häufig wechseln. Menschen mit Unterstützungsbedarf sind so in ihrem kleinen Quartier automatisch viel besser sozial eingebunden.

Ein lokales Netzwerk aus drei bis sechs festen Nachbarinnen pro Fall entlastet die Angehörigen von Menschen mit Unterstützungsbedarf (ältere Menschen oder solche mit physischen oder psychischen Einschränkungen). Die Nachbar*innen werden dabei durch hauptamtliches Personal koordiniert und fachlich begleitet. Etwaig benötigte professionelle Pflegekräfte kümmern sich um anspruchsvolle pflegerische Tätigkeiten und treten dem Netzwerk punktuell bei.

Nachbar*innen und Angehörige engagieren sich ehrenamtlich, in Teilzeit oder in Vollzeit, angestellt oder freiberuflich - ganz nach ihren Wünschen und Tätigkeiten, die sie in der QuartierPflege übernehmen. Einmal im Monat etwas vorlesen ist ein Ehrenamt, dreimal in der Woche einkaufen, kochen oder bei der Körperpflege helfen sind Tätigkeiten, die regulär zu entlohnen sind. Die QuartierPflege schafft damit erhebliche Zuverdienste und reguläre Beschäftigung mit Menschen, die wir jahrelang kennen und schätzen.

Wenn fünf bis zehn Prozent der Menschen in einem Kleinquartier von 1.500 Personen Unterstützung benötigen, sind 300 bis 500 Nachbar:innen erforderlich, um die Grundversorgung sicherzustellen. Das ist visionär und machbar. Denn gute Rahmenbedingungen für Engagement zu schaffen, das können wir auch in anderen Bereichen. Warum also nicht in der Pflege?

Zielgruppen

Die QuartierPflege ist von ihren Ansätzen her für alle Menschen mit Unterstützungsbedarf offen. Primär haben wir jedoch bisher über ältere Menschen mit Pflegegrad nachgedacht, weil uns eine stabile langfristige Lösung wichtig ist. Finanzen spielen dabei eine wichtige Rolle. Dennoch funktioniert unser Konzepte auch für Menschen ohne Pflegegrad.

Menschen mit physischen und psychischen Beeinträchtigungen nehmen wir ebenso in den Blick. Wir sehen aber sehr wohl, dass die Finanzierungsgrundlagen etwas anders gelagert sind. Zudem würden wir gerne unser Schulungskonzept für helfende Nachbar*innen auf Menschen mit Beeinträchtigungen anpassen. Diese Unterschiede im Modell der QuartierPflege genau zu benennen und inhaltlich auszufüllen sind Schritte, die wir ab 2024 beginnen.


Ausgezeichnetes Programm

Die Gesellschaft für Gemeinsinn ist mit diesem Programm im Deutschen Pflegepreis auf dem 2. Platz im Bereich Innovation, ausgezeichnete Stipendiatin des bundesweiten Wettbewerbs zur Förderung sozialen Engagements unter Schirmherrschaft des Bundeskanzlers und unter den Top 3 Projekten, die im Bereich Gesundheit vom Deutschen Demografie Preis nominiert wurden.

Unterstützungsschreiben

Hier bündeln wir Schreiben von Menschen, die die Befürwortung der QuartierPflege schriftlich ausgedrückt haben.

Mit Ihrem Projekt widmen Sie sich einem gesellschaftlich hochrelevanten Thema. Auch aus meiner Sicht mangelt es an der ernsthaften politischen Bearbeitung des Problems. Ihre Vision und Ihr Ansatz sind sehr interessant und machen Hoffnung.

Mit Ihrem Konzept greifen Sie eines der wichtigsten Themen auf, das die Gesellschaft derzeit beschäftigt. Die Komplexität und die detaillierte Ausarbeitung der einzelnen Handlungsfelder zeigt, wie viel Herzblut Sie in das Projekt legen und bereits gelegt haben.
— Juror*innen-Feedbacks

 
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Umsetzung

Wir bohren da ein dickes Brett. Deshalb sind wir seit 2018 auch damit beschäftigt. Erst in offenen Diskussionen mit Anspruchsgruppen. Danach im Rahmen eines Modellprojektes, um präzise die Rahmenbedingungen auszuarbeiten. Seit 2022 setzen wir nun den ersten Piloten in Leipzig um. Landsberg am Lech beginnen wir im Frühjahr 2024. Weitere Standorte sind in Planung. Wir weiten zudem sukzessive die Zielgruppen aus.

 
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IT Systemlandschaft | bundesweit | 2022 - 2026

Engagement durch die Nachbarschaft kann Angehörige von Pflegebedürftigen erheblich entlasten und den Fachkräftemangel in der Pflege abmildern. Damit derartige Sorgegemeinschaften gut funktionieren, benötigen wir interaktive digitale Technologien. Mit dem Marktführer für IT-Lösungen in der Sozialwirtschaft - Connext Vivendi - und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg erweitern wir bestehende Software-Lösungen so, dass Angehörige und Nachbar*innen zukünftig eigenständig ihre Einsätze und Touren untereinander und mit den Pflegelotsen im Quartier abstimmen können. Wertschätzung und Gleichberechtigung mit dem professionellen Sektor führen wir also quasi durch die digitale Hintertür ein, in dem wir die Spielregeln institutionell verändern.


Menschen mit Behinderung | Standort Leipzig | 2023 - 2025

Menschen mit Behinderungen haben einen im Zweifel noch höheren Bedarf für QuartierPflege als die bisherige Zielgruppe ältere Menschen. Mit dem neuen Bundesteilhabegesetz ergeht die Aufforderung und Förderung für Menschen mit Behinderung sich stärker selbst zu versorgen und zu organisieren und Unterstützung aus dem Sozialraum zu nutzen, aber auch selbst Unterstützung anzubieten. Hierzu fehlt es aktuell an koordinativen unterstützenden Prozessen für diese Menschen, sich ein Netzwerk aus Unterstützer*innen aufzubauen. Nichts anderes macht die QuartierPflege und zwar über das Fall-Management vor Ort. Daher möchten wir das bisherige Programm auf diese neue Zielgruppe ausweiten. 


Modellprojekt | Standort Halle | 2019 - 2020

In einem ausgewählten Kleinquartier von ca.1.500 Bewohner:innen diskutierten wir die Rahmenbedingungen für ein gesteuertes und angeleitetes Nachbarschaftsnetzwerk zwischen April 2019 und August 2020. Das Quartier im Rosengarten der Bau- und Wohnungsgenossenschaft Halle-Merseburg e.G. war besonders geeignet, weil es mit 1.000 Wohneinheiten, seiner nahbaren Struktur sowie einer Begegnungsstätte gute Voraussetzungen bot, um mit Hilfe der Genossenschaftsverwaltung im Wohnquartier hauswirtschaftliche Unterstützung, Fürsorge und Grundpflege zu organisieren.


Schulungskonzept | Standort Leipzig | 2020 - 2021

Nachbar:innen müssen sich in der Lage sehen, unterstützen, sorgen bzw. pflegen zu können. Ansprechpartner:innen, Beratung und Schulungsmöglichkeiten müssen vor Ort vorhanden sein, um Pflegebereitschaften in der Nachbarschaft gezielt fördern zu können. Unser Schulungskonzept ist daher auf einzelne Rollenprofile und Aufgaben ausgerichtet. Modernes Freiwilligen-Management geht in seinen Hypothesen genau davon aus: kleine, übersichtliche, klar umgrenzte Tätigkeiten, die auf Zeit und flexibel ausgeübt werden können.

Umsetzung | Landkreis Landsberg am Lech | 2024 - 2028

In Landsberg am Lech soll auf der Ebene des Landkreises ein kommunaler ambulanter Pflegedienst aus Angehörigen und Nachbarinnen gegründet werden. Dieser kommunale Eigenbetrieb wird für alle Gemeinden des Landkreises sowie für alle Nachbar*innen und Angehörigen im Landkreis die QuartierPflege rechtlich tragen. Für die strategische Projektplanung und Umsetzung hat der Landkreis 50.000 Euro pro Jahr bewilligt. Das Dorf Erpfting ist das erste Quartier im Landkreis, indem wir QuartierPflege vor Ort umsetzen werden. Dazu hat die Stadt Landsberg am Lech ein Budget von 230.000 Euro für die nächsten fünf Jahre bewilligt. Mit weiteren 40.000 Euro im Jahr 2024 finanziert der Landkreis Fundraising für weitere Standorte in der Gebietskörperschaft.


Pilotprojekt | Standort Leipzig | 2022 - 2025

Zusammen mit unseren strategischen Partner*innen - der AOKplus, der ABE Zuhause gGmbH und der Kirchgemeinde im Leipziger Süden - setzen wir unseren Piloten in zwei Kleinquartieren in Leipzig um. Unser Projektziel ist es nicht, die gesamte pflegerische Versorgung für diese Personengruppe zu übernehmen, sondern bestehende Pflegestrukturen so zu flankieren, dass professionelle Dienste sich auf anspruchsvolle pflegerische Tätigkeiten konzentrieren können. Wir möchten eine Anzahl von 100 Pflegebedürftigen über ein gesteuertes und angeleitetes Nachbarschaftsnetzwerk unterstützen. Dazu wollen wir 300 bis 500 Nachbar*innen mobilisieren, die nachbarschaftliche Sorge-, Hauswirtschafts- und Grundpflegeleistungen erbringen.


Kulturelle Partizipation | Standort Leipzig | 2023

Wir möchten das Thema Pflege nicht alleine faktisch, sachlich vermitteln, sondern einen partizipativen soziokulturellen Ansatz wählen. So können wir die QuartierPflege auf verschiedenen Ebenen kulturell vermitteln und damit beispielsweise unterschiedliche Zielgruppen wie Alleinerziehende, Renter*innen, Jugendliche ab 14 und Studierende viel besser ansprechen. Diese Zielgruppen beschäftigen sich ganz unterschiedlich mit den Themen Barriere, Gebrechlichkeit, Teilhabe oder Inklusion und so unterschiedlich möchten wir auch auf diese Gruppen zugehen können. Wir entwickeln einen Konzept-Baukasten für die Mobilisierung aller Generationen und Zielgruppen in den Quartieren.


Inspiration für die QuartierPflege | 2018

Unsere Diskussionsveranstaltungen in der naTo - ein soziokulturelles Zentrum in Leipzig - im Jahr 2018 mit Pfleger:innen, Gepflegten sowie Politiker:innen und Arbeitgeber:innen haben uns zu diesem Programm geführt. Lesen Sie gerne die Ergebnisse der damaligen Diskussionen nach.


Weitere Pilot-Standorte

Aktuell arbeiten wir an verschiedenen Anträgen zur Umsetzung unseres Modells in tätige QuartierPflege.

Wenn Sie sich als Wohnungsgesellschaft, als Gebietskörperschaft, als Kirche oder Pflegedienst und Wohlfahrtsorganisation oder als Fachverband angesprochen fühlen und Teil des Programms QuartierPflege werden möchten, dann schreiben Sie uns gerne eine Email. Wir laden Sie herzlich ein, sich am Projekt zu beteiligen. Für uns sind sie Partner*innen mit Expertise, Erfahrung und neuen Ideen für unsere Vision.

Podcast

In Neustart – Die Zukunft beginnt mit uns beschäftigt sich der Autor Tobias Hülswitt mit einem breiten Spektrum von Zukunftsthemen. In jeder der Folgen wird ein Gespräch mit einer/m Expert:in aus dem jeweiligen Bereich geführt: Wissenschaftler:innen, Unternehmer:innen oder anderen Zukunftsmacher:innen. Am 6. August 2021 haben wir mit Tobias Hülswitt über die QuartierPflege gesprochen.


 

Kooperierende Expert*innen

 

Prof. Dr. Corinna Petersen-Ewert, HAW Hamburg

Seit 2013 ist sie Professorin für Gesundheits- und Sozialwissenschaften an der HAW Hamburg und befasst sich hierbei u.a. mit Themen wie Gesundheitsbezogene Lebensqualität und chronische Erkrankungen, Community Health Nursing, Pflegende Angehörige, Menschen mit Assistenzbedarf.

Wie Menschen mit großen Herausforderungen, wie beispielsweise die Diagnose einer chronischen Erkrankung, in ihrem Leben umgehen, hat sie schon immer interessiert. Es gibt so viele unentdeckte, stille Held*innen in Deutschland, die ihren Alltag trotz zahlreicher Hindernisse bewältigen und positiv gestalten. Das beeindruckt sie. Deshalb bin ist Prof. Petersen-Ewert auch gerne Teil des Teams QuartierPflege, um Bedarfe der Menschen im Quartier zu untersuchen und Forschung mit einem klaren Anwendungsbezug durchzuführen. Sie findet es spannend, Befragungen durchzuführen und dann die Ergebnisse mit den Menschen vor Ort zu diskutieren. Die Daten können dabei helfen, eine Gesprächsgrundlage zu schaffen.

Weiterhin tritt sie dafür ein, dass eine gesundheitliche Versorgung am besten mit einem interdisziplinären Team erfolgt. Hierfür brauchen wir eine neue Aufteilung von Verantwortlichkeiten. Das Projekt QuartierPflege bietet die Chance, die gesundheitliche Versorgung von Menschen mit einem Unterstützungsbedarf innovativ zu gestalten.


Dorian Ammer, ABE Zuhause gGmbH

Studierte BWL und gründete 2021 mit Linda Grünberg die ABE Zuhause GmbH als Betreuungs- und Entlastungsdienst nach sächsischem Landesrecht. Er denkt Pflege und Wirtschaft neu und schafft durch den finanziellen und praxisorientierten Blickwinkel eine neue Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit im Bereich pflegenaher Dienstleistungen.

2023 ist die ABE Zuhause als Praxispartner zur Quartierpflege gestoßen, um die Menschen anzustellen, die bereit sind Ihre Nachbarn zu unterstützen und die Abrechenbarkeit der Leistungen gegenüber den Pflegekassen sicherzustellen. Nach dem Motto „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Sorgt die Zusammenarbeit dafür, dass Menschen schnell und unkompliziert an der Quartierpflege mitwirken können.


Annike Morgane Nock,Gesundheitswissenschaftlerin, HAW Hamburg

Schon während ihrer Berufsausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin in einem großen Klinikum in Hamburg hat sich Frau Nock mit den sozialen Lebensverhältnisse von Menschen und deren Auswirkungen auf ihre Gesundheitschancen beschäftigt. In ihrem Studium in Hamburg und Bremen konnte sie dieses Interesse mit anderen teilen. 

Frau Nock interessierte sich schon immer für Lebensgeschichten. Als Kind von Ethnologen konnte sie viele Orte und Menschen auf unserer Welt kennenlernen und Lebenswelten erleben. Neues zu entdecken, fasziniert sie und sie geht gerne auf Menschen zu, lernt von anderen und arbeitet gerne im Team. Besonders prägend war ihre Zeit in der Versorgung suchtmittelabhängiger Menschen, in der sie täglich Biografien und Ungerechtigkeit mitbekommen hat. Diese Arbeit hat ihren professionellen Blick geschärft und sie auf blinde Flecken in unserem Gesundheitssystem aufmerksam gemacht. Mit dieser Aufmerksamkeit begleitet sie nun die QuartierPflege.


© Bosold Pflege GmbH

© Bosold Pflege GmbH

Tobias Bosold, Geschäftsführer der Bosold Pflege GmbH

Seit 1986 ist er Krankenpfleger und Pflegedienstleiter (PDL), hält einen BA Pflegemanagement und ist an der Implementierung des Buurtzorg-Pflegemodells (sich selbst organisierendes Nachbarschafts-Pflegemodell) in Leipzig Connewitz beteiligt.

Tobias Bosold wird uns im Bereich professionelle Pflege nach SGB 11 und 5 unterstützen und seine Erfahrungen aus der Leitung eines ambulanten Pflegedienstes einbringen.

Dabei kommt es ihm auf gute Vor-Ort-Beratung, Vernetzung und die richtigen Kooperationspartner an. Wichtig sei zudem aus bereits erarbeiteten Modellen Inspiration zu schöpfen. Eine praktische Umsetzbarkeit sowie eine gute Dokumentation und wissenschaftliche Begleitung des Projektes seien nötig.


Dr. Stefan Oer - Dozent

Nach dem Studium der Soziologie und der Wirtschaftswissenschaften und beginnend mit der Promotion 1995 im Bereich Interdisziplinäre Alternsforschung interessiert ihn das Gelingen des demografischen Wandels. Generationen und deren Lebensentwürfe zu beforschen und in unterschiedlichen Bereichen der Lehre und Forschung gelingende Strukturen zu entdecken. Er vertritt die Auffassung, dass das Gelingen einen außerordentlich komplexen Vorgang voraussetzt, der sich sowohl in der Theorie als auch in der Praxis zeigt. Inzwischen kann von der Notwendigkeit gesprochen werden, nicht nur interdisziplinär, sondern insbesondere antidisziplinär zu arbeiten, um größtmögliche positive Wirksamkeiten zu erzeugen. So versteht er die Arbeit für Gemeinsinn und insbesondere die Chancen für eine QuartierPflege.

Die positive Wirksamkeit kann sich in unterschiedlichen Lehrtätigkeiten äußern, indem der Theorie-Praxistransfer noch mehr als bisher gestaltet wird.

Im Projektzusammenhang QuartierPflege möchte er die Rolle des Kümmerers speziell für den ländlichen Raum einnehmen und zum Gelingen beitragen.


© Stefanie Schmidt

© Stefanie Schmidt

Dr. Sonja Menzel

Sie ist Wirtschaftswissenschaftlerin und als Projektentwicklerin seit 1994 mit Wohnungsgenossenschaften bzw. speziell auch mit der Gründung von neuen genossenschaftlichen Wohnprojekten befasst.

Frau Menzel engagiert sich in der Bildungsgenossenschaft innova eG, im Arbeitskreis Integriertes Wohnen e.V. und im Bundesverein zur Förderung des Genossenschaftsgedankens e.V., so dass sie viel genossenschaftliche Expertise mitbringt.

Das Modell der QuartierPflege unterstützt sie mit gelungenen Beispielen von Selbsthilfe und Selbstverantwortung, bei Partizipationsprozessen der Mitwirkenden und bei der Gestaltung der Kooperationsbeziehungen der Akteure im Quartier

Wichtig ist ihr die Träger*innen und die Mitwirkenden vor Ort zu begeistern sowie dafür zu sorgen, dass die Expert*innen im Projektverlauf sukzessive überflüssig werden.


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Regina Schulze, AOK PLUS-Bereichsleiterin Pflege/Häusliche Krankenpflege

Als Praktikerin aus dem Bereich der Pflegeversicherung steht für Frau Schulze das Wohl der Versicherten im Zentrum. Möglichkeiten der Unterstützung/Finanzierung durch die soziale Pflegeversicherung aufzeigen, ist daher ihr Fokus in der QUartierPflege. Die Pflegeversicherung bietet viele Möglichkeiten Pflegebedürftige und deren Angehörige zu unterstützen. Oft werden die zur Verfügung stehenden Mittel nicht genutzt. Deshalb haben Aufklärung und Beratung oberste Priorität.

Wichtig ist, dass die Bewohner*innen im Quartier wissen, an wen sie sich wenden können, wenn sie in einer schwierigen Situation sind, d.h. konkrete Ansprechpartner.  Gute Ergebnisse für das Projekt wären, wenn die Einwohner*innen so lange wie möglich in der gewohnten Umgebung, in ihrer Wohnung bleiben können bzw. das Leistungsspektrum der sozialen Pflegeversicherung besser genutzt und die nachbarschaftliche Hilfe und Unterstützung gestärkt wird.


© https://www.pflege-in-leipzig.de/

© https://www.pflege-in-leipzig.de/

Robert Wolf, Assistent der Geschäftsführung Bosold Pflege GmbH

Er ist geprüfter Fachwirt des Gesundheits- und Sozialwesen, hält einen Magister in Politikwissenschaften und ist examinierter Krankenpfleger. Seine Expertise liegt darin, Strukturen, Akteure & Finanzierungsformen im Gesundheitssystem zu kennen und diese für das Modellprojekt fruchtbar zu machen.

Ihm ist es wichtig, einen offenen, wertschätzenden Austausch aller professionellen, institutionalisierten und nicht-professionellen bzw. ehrenamtlichen Akteuren zu organisieren.

Persönlich sieht Herr Wolf momentan in der Gesundheits- und Sozialpolitik viele offene Fragen, ohne dass auch nur in Ansätzen zukunftsweisende Ideen in einem politischen Diskurs münden würden. Daher ist aus seiner Sicht jetzt ein guter Zeitpunkt, um gemeinsam, aktiv und dezentral, lokale Strategien und Strukturen für Hilfebedürftige und Helfende zu entwickeln. Wenn das Modell QuartierPflege in veränderte (Sozial- und Kommunal-)Politik münden, so dass Lebens- und Arbeitsverhältnisse und damit die Bedürfnisse der Betroffenen berücksichtigt werden, wäre das für ihn ein toller Erfolg.

Prof. Dr. Dieter Röh, HAW Hamburg

Als Sozialarbeits- und Gesundheitswissenschaftler interessiert er sich für das theoretische und konzeptionelle Verständnis von Teilhabe und versucht dies in Lehre und Forschung über vielfältige Zugänge für die Praxis anwendbar zu machen. Dazu gehören für ihn auch ein sozialräumlicher Ansatz, der Teilhabeförderung als gemeinsame Aufgabe von Fachkräften, Adessat*innn und Bürger*innen denkt und entsprechend handelt.

Mit Hilfe der QuartierPflege bzw. den Sorgegemeinschaften kann Teilhabe erreicht werden, da über die partizipative Vorgehensweise zu Pflegende und Pflegende (egal ob professionell oder als Nachbar*innen oder Angehörige) in Kontakt kommen und ihre Handlungen zur Deckung des Pflege- und Unterstützungsbedarf aufeinander abstimmen können.

Prof. Röh bringt in das Projekt also die spezifische Perspektive der Sozialen Arbeit ein, die er an der Kontaktstelle von Subjekten und Gemeinschaften/Gesellschaften sieht. Mit der Sozialraum- und Netzwerkarbeit sowie der damit verbundenen Forschung, die er im Projektkontext vornehmlich vertritt, liegen konzeptionelle Ansätze vor, die sowohl im technologischen Ziel der Entwicklung einer Software-Umgebung als auch im lebensweltlichen Kontext der Sorgegemeinschaften von hoher Relevanz sind.

In der QuartierPflege, unterstützt durch die Software-Umgebung, sehe ich einen zukunftsweisenden Ansatz zur Bewältigung zukünftiger Aufgaben in Pflege und Teilhabe, den er gerne mit meinem wissenschaftlichen Know-how unterstützt.


Oliver Glüsing, Soziologe, HAW Hamburg

Geboren im hohen Norden, war es das Interesse am Menschen und der Gesellschaft, was ihn zum Studium der Soziologie nach Hamburg führte. Nach kürzeren Stationen in Amsterdam und Berlin zog es ihn auch wieder hierher zurück. In der Soziologie konzentriert er sich auf die kritische Migrationsforschung, die soziale Ungleichheit, den sozialen Ausschluss und die Anerkennungstheorie. Fragen der Gerechtigkeit, der Moral und der Demokratie interessieren ihn. Die politische, kulturelle und soziale Teilhabe, das gesellschaftliche Einbezogensein und die Verteilung von Lebenschancen sind hierbei zentral. Herr Glüsing versteht den Menschen als Gemeinschaftswesen und nicht als in ständiger Konkurrenz zueinanderstehend. 

Ein Satz einer auf Unterstützung angewiesenen Person in einer Veranstaltung klingt bei ihm noch immer nach: „Je mehr Teilhabe mir durch die Pflege meiner Verwandten ermöglicht wird, desto weniger Teilhabe haben sie selbst.“ Er denkt, dass dies nicht so sein sollte und die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Pflege auch gesamtgesellschaftlich gelöst werden muss. Die Netzwerke, die diese Aufgaben gerade leisten, müssen gestärkt und vergrößert werden. Es werden mehr helfende Hände gebraucht. Hierin sieht er auch den Sinn des Projekts QuartierPflege.


Ivonne-N. Jürgensen, Gesundheitswissenschaftlerin, HAW Hamburg

Geboren und aufgewachsen in der lebendigen Stadt Hamburg, fand sie über Umwege ihre Leidenschaft in den Gesundheitswissenschaften. Ihr Interesse gilt vor allem der Gesundheitsförderung. Nicht nur als theoretisches Konstrukt, sondern als lebendige Realität, die das tägliche Leben der Menschen verbessert. In ihren Erfahrungen, vor allem in der Quartiersarbeit mit älteren Menschen, entdeckte sie die subjektiven Bedürfnisse und Herausforderungen dieser diversen Gemeinschaft.

Das Besondere an ihrer Arbeitsweise ist eine gelingende Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis. Die Entwicklung innovativer Gesundheitsansätze, die nicht nur auf dem Papier überzeugen, sondern auch in der Umsetzung einen messbaren Unterschied machen.

In herausfordernden Situationen sucht sie diplomatische Lösungen, ohne das übergeordnete Ziel aus den Augen zu verlieren. Ihr Antrieb ist es, positive Veränderungen im Gesundheitsbereich herbeizuführen – eine Welt zu gestalten, in der wir alle die Möglichkeit haben, gesund zu leben und alt zu werden.


Prof. Dr. Georg Jahn, TU Chemnitz

Als Leiter der Professur für Angewandte Gerontopsychologie und Kognition vermittelt er in der Lehre die Themen Pflege, freiwilliges Engagement, Digitalisierung und Quartierentwicklung aus alterswissenschaftlicher Perspektive für die Studiengänge Psychologie, Public Health und Human Factors. Er kann sich für grundlagennahes wissenschaftliches Arbeiten in der Psychologie ebenso begeistern wie für individuell und gesellschaftlich positiv wirksame Anwendung.

Es ist ihm ein besonderes Anliegen, Erkenntnisse, bewährte Methoden und adaptierbare Konzepte beizutragen, um funktionierende Nachbarschaften zu befördern. Einen Rahmen dafür geben gemeinsam konzipierte Forschungsprojekte, die auch Gelegenheit bieten, engagierte Studierende einzubinden.


© http://arbeits-gruppe.de/architekten_ingenieure

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Juri Kuther, Architekt, Dipl. Ing. M.A.

Seine praktischen Erfahrungen und unkonventionellen Ansätze im Maschinenbau welche er während seiner Zeit Fachoberschule sammelte, hatten starken Einfluss auf seine Architektursprache. Seit 2012 entstehen gemeinsam mit Dennis Gregor unterschiedliche Architekturen aus seiner Hand. Noch heute unterstützt er junge Studenten in der Lehre auf Ihrem Weg. 

Die Rolle von Herrn Kuther ist es räumliche bzw. bauliche Aspekte in das Projekt einfließen zu lassen. Das Entwickeln von Konzepten und das Entwerfen von Räumen ist ein Hauptbestandteil seiner Arbeit. Seine Stärken liegen darin, diese doch recht komplexen Prozesse zu veranschaulichen um alle Beteiligten und letztlich davon "Betroffenen" so weit wie möglich zu integrieren.

Die Herausforderung wird darin bestehen diese Eigenschaften herauszuarbeiten, und zusammen mit allen Projektbeteiligten räumliche Konzepte zu entwerfen und diese wenn möglich auch umzusetzen.

Im Freundeskreis so wie in seiner Familie wird viel im Pflegebereich gearbeitet. Daher setzt er sich fast täglich mit diesem Thema auseinander und ist sehr daran interessiert, welche Rolle hier Architektur spielt und was sie leisten kann.


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Elke Härtig, Pflegenetzwerk Leipzig, Netzwerkkoordinatorin

Als Leiterin des Beratungszentrums des Pflegenetzwerk Leipzig e.V. mit seiner Vielzahl an Angeboten für die Leipziger Bürger (persönliche Beratung, Pflegekurse, Kurse für Nachbarschaftshelfer, Bürgerveranstaltungen) weiß sie um die Bedürfnisse pflegebedürftiger Menschen und ihrer Familien.

Dabei ist es für sie unerheblich, ob es sich um Menschen mit einer Behinderung oder durch Alter und Krankheit pflegebedürftig gewordene Menschen handelt. Als Case Managerin (DGCC) und mit der Hintergrunderfahrung aus der Alten- und Behindertenhilfe möchte sie den Betroffenen und ihren Familien alle Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzeigen, die sich aus der Gesetzgebung und den lokalen Hilfestrukturen in Leipzig ergeben. Dafür arbeitet sie gut vernetzt und im engen Austausch mit den entsprechenden Akteuren.

Die Individualität jedes pflegebedürftigen Menschen mit seinem ganz persönlichen Hilfe- und Unterstützungsbedarf sollte sich aus ihrer Sicht in den Unterstützungsangeboten vor Ort widerspiegeln.


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Konstantin Sprenger, Sprecher Studierendenrat MLU Halle

Herr Sprenger war seit dem Wintersemester 2016 Student der Agrarwissenschaften an der MLU und seit dem WS 2018 Mitglied im Studierendenrat. Dort war hat er sich  als Sprecher für Soziales hauptsächlich um die Vergabe und Verwaltung des Sozialdarlehens des StuRas für in finanzielle Schieflage geratene Studierende gekümmert. Daher bringt er in das Modell der QuartierPflege insbesondere die Perspektive von Studierenden als mögliche Mitwirkende ein. 

Aus seiner Sicht kann es darin u.a. sehr interessant sein, Wohnraum gegen Hilfe zu erhalten, was sich auch allein schon darin zeigt, dass das Konzept andernorts in ähnlichen Strukturen schon länger erfolgreich funktioniert. Er denkt, dass das in studentischen Umgebungen nicht nur wegen weiter steigenden Mietpreisen, sondern auch vielseitig interessierten und sozial engagierten, jungen Menschen durchaus umsetzbar ist. Für eine erfolgreiche Gestaltung sollten sich alle Parteien im Voraus darüber im Klaren sein, was der Gegenüber von einem erwartet. Dann können auch durch die nachbarschaftliche Stärkung das gesamt Quartiere attraktiver werden.


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Lola Güldenberg, Trendforscherin und Innovationsentwicklerin

2001 gründete Frau Güldenberg in Berlin eine eigene Trendforschungsagentur. Ihre Arbeit konzentriert sich nicht nur auf Trendforschung, sondern berührt auch Bereiche wie Kunst, Design und Technologie. Gerade hat sie ihr zweites Unternehmen gegründet – CARLO Technische Beratung in der Pflege. Sie ist zudem internationale Keynote-Sprecherin und hat an mehreren Universitäten und Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterrichtet.

Für sie muss Technologie wertfrei und anpassbar sein. Man muss es schaffen, dass der Nutzen leicht zu erleben und zu verstehen ist. Dafür braucht es ein Vertrauensverhältnis. Es liegt nicht an den Menschen, wenn Fehler in der Bedienung passieren oder Technologie gänzlich unzugänglich bleibt.

Frau Güldenberg ist es wichtig, zu akzeptieren, dass es Menschen gibt, die analog sein wollen. Trotzdem kann man ihnen mit Hilfe von Digitalisierung das Leben erleichtern kann. Ihr konkreter Wunsch an die QuartierPflege ist es, dass in ihr das erste Rollatoren-Sharing in Deutschland aufbaut wird.